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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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hier, Nigger da. Trent war damals in Louisville gerade mit einem schwarzen Mädchen liiert. Wir
waren beide unschlüssig, wie wir uns verhalten sollten. Brad muss gemerkt haben, wie unangenehm uns die Situation war, denn irgendwann sah er mich an und sagte: »Ach, ihr in Ohio habt wahrscheinlich nur gute Nigger.« In Ohio lebte ich. »Wir hier stellen uns schon drauf ein, gegen die, die wir haben, einen Rassenkrieg zu führen.« Er war von der Highschool abgegangen. Es war noch nicht länger als vier Jahre her, dass wir bei ihm übernachtet, zusammen Séancen und sonst was gemacht hatten, und jetzt gab es keinen einzigen Anknüpfungspunkt mehr. Ein Graben lag zwischen uns, der sich mit dem ersten Tag in der siebten Klasse aufgetan hatte, als ein paar von uns in die Schnellkurse wechselten, während die anderen in den normalen Kursen blieben. Es war sicher reiner Zufall, dass die Trennlinie zwischen den Kursen exakt parallel zu der zwischen den Einkommensgruppen unserer Eltern verlief. Ich erinnere mich, wie Ricky und ich am ersten Tag der siebten Klasse im Schulflur aufeinander trafen und uns beide mit einer Verwirrung, mit der wir nicht umgehen konnten, weil wir dafür viel zu jung waren, ansahen, als wollten wir sagen: »Warum haben wir keine einzige Stunde mehr zusammen?« Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich mich seit diesem Tag mit keinem der Jungs mehr getroffen hatte.
    Axl hat es da rausgeschafft.
    8.
    Das südliche Flussufer des Nervión in Bilbao war mit Hunderten blauen Fahnen geschmückt, und auf jeder stand oben quer » GUNS N' ROSES «. Die Fahnen waren von einem tiefen, maurischen Blau und wehten vor einem nur etwas helleren, wolkenlosen Himmel. Später am Abend sollte die Band in den Hügeln oberhalb der Stadt als Headliner am ersten Tag eines dreitägigen Festivals auftreten, und dem Flusstal würde nichts
anderes übrig bleiben, als den Sound derart klar zurückzuwerfen, dass die Leute in der Altstadt – sofern sie Englisch verstanden – einzelne Wörter ausmachen konnten. Aber für den Moment legte Bilbao noch seine leicht zugeknöpfte Ruhe und Schönheit an den Tag. Neben dem Guggenheim gibt es einen Springbrunnen, der alle vier oder fünf Sekunden Wasserfontänen in die Luft schießt und in dem Kinder mit olivfarbener Haut herumspringen. Jungs wie Mädchen ziehen sich bis auf die Unterhose aus und toben wie die Wilden. Es war herrlich, ihnen dabei zuzusehen. Können Sie sich im Zentrum einer größeren US -Stadt eine Rotte zwölfjähriger Mädels in Höschen vorstellen, die so im Wasser herumtollen, dass ihre Haarsträhnen Tröpfchenbögen in die Luft schleudern? Schwer zu sagen, was größer wäre: der Grad der elterlichen Paranoia oder die tatsächliche Menge herumlungernder Perverser. Hier machte alles einen so normalen, gesunden Eindruck. Axl und seine Jungs waren noch nicht gelandet. Sie befanden sich noch in der Luft.
    Der Stadtteil, in dem sie spielen sollten, heißt Kobetamendi. Er liegt hoch oben, man kann von dort auf die Stadt hinuntersehen, auf den Fluss, die Kirchturmspitzen und die gleißenden Titanschuppen des Museums. Sobald es dunkel wird, sieht man die Lichter der Stadt. Wenn in Kobetamendi gerade keine Bühne aufgebaut ist, gibt es hier nicht viel mehr als ein großes, leeres Feld, das eine Straße durchschneidet, an der ein paar bescheidene Bauernhäuser liegen.
    Als ich die Kuppe des Hügels erreichte, spielte gerade eine Crossover-Band. Crossover scheint seine Existenzberechtigung daher zu nehmen, dass das Resultat von über richtig schlechten Rock gelegtem richtig schlechtem Rap irgendwie gut ist – vorausgesetzt, die Raps werden von einem übergewichtigen Weißen mit kurz geschorenen Haaren und Unterarmtattoos gebellt. Die Frauen aus den kleinen Bauernhäusern hatten sich am Gartenzaun versammelt; da lehnten sie, tuschelten und lie
ßen ihre Spazierstöcke baumeln. Eine von ihnen war einer der am ältesten aussehenden älteren Menschen, die ich je gesehen habe, mit drahtigen weißen Haaren und einem Gesicht wie das Innere einer Walnussschale, ein Gesicht, wie es nur wirklich steinalte Frauen bekommen. Sie und ihre Freundinnen hörten dem Crossover zu, und etwas in mir wollte hinlaufen und ihnen versichern, dass es auch nach ihrem Ableben noch Menschen auf dieser Welt geben würde, die wussten, wie entsetzlich diese Musik war, und dass diese Menschen ihr Wissen an sorgfältig ausgewählte Mitglieder zukünftiger Generationen weitergeben würden. Aber

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