Pulphead
Lehmklumpen übersät.«
Ich starrte mit offenem Mund nach oben. Dazu fiel mir keine gute Frage ein.
»Genau das haben wir auch gesagt«, sagte er. »Was haben sie sich dabei gedacht?« Also kletterte ein Forscher hoch, nahm einen der Klumpen ab und brachte ihn ins Labor der Universität. Sie schnitten ihn auf. Im Inneren fand man ein verkohltes Stück Schilfrohr, wie ein Zigarettenfilter. »Das Stück war etwa so groß«, sagte Jan und zeigte seinen kleinen Finger. Die Indianer hatten brennende Schilfrohre in Lehmbälle gesteckt und sie an die Decke geschleudert. »Der Laden hat geleuchtet wie eine Geburtstagstorte, Mann!«, sagte er.
»War das eine Art zeremonielle Feier oder so?«
»Wer weiß«, sagte er. »Vielleicht haben sie Fledermäuse gejagt.«
»Was haben die hier gemacht?«, fragte ich, als würde ich niemanden fragen.
»So einiges«, sagte er. »Kunst schaffen, ihre Toten begraben, den Laden zum Leuchten bringen. Vielleicht Fledermäuse jagen.«
Wir stiegen im hinteren Teil der Höhle einen Lehmhang hinauf. Im Boden waren zwei nackte Fußabdrücke nebeneinander. Simek sagte, dass sie einem Orthopäden Gipsabdrücke dieser Spuren gezeigt hatten, ohne zu sagen, worum es sich handelte. »Diese Person hat keine Schuhe getragen«, sagte der Arzt. Die Zehen waren gespreizt.
Oben auf dem Lehmhügel betrachteten wir ein letztes Bild, das gleiche Motiv wie am Eingang, allerdings hier nur ein einzelner Specht. Ein Kohlepiktogramm, überzogen mit einer durchscheinenden Schicht Höhlensinter, fast wie laminiert. So alt waren diese Dinger. Der Stein war über den Vogel geflossen und hatte ihn umhüllt. Dieser Specht stand aufrecht, als würde er an einem Baum arbeiten. Spechte am Eingang, ein Specht hier. Was hatte das zu bedeuten?
»Ende der Geschichte«, sagte Jan.
Zum nächsten Höhlentrip, den Jan für mich organisiert hatte, kam er selbst nicht mit – eine lange, feuchte, schwierige Höhle. Er war schon oft genug hier gewesen. Ich sollte eine der ältesten Höhlen sehen, fast viertausend Jahre alt, aus der späten archaischen Periode.
Ich lernte ein paar Leute kennen, die mit den Höhlen ohne Namen zu tun hatten, eine Riege hochrangiger Höhlenfreaks, die Simek in den Neunzigern unter dem Namen CART (Cave Archeological Research Team) zusammengestellt hat. Es gibt einen Experten für Höhlenbestattungen, es gibt einen National Geographic -Höhlenfotografen, es gibt einen Forscher für die Verwendungsgeschichte der Höhlen (Salpeterminen und »Höhlentanz«).
Der Held von CART ist Alan Cressler, ein großer, dünner Glatzkopf, der für die amerikanische Kartografiebehörde USGS (United States Geological Survey) arbeitet. Trotz etlicher Verletzungen ist er in Topform, seine Arme und Beine sind haarlos – rasiert er sich, um sich in den Höhlen besser bewegen zu können? Anscheinend das Ergebnis eines evolutionären Prozesses. Cressler ist Höhlenforscher, kein Höhlensportler. Mit Vorliebe entdeckt er jungfräuliche Durchgänge, er überschreitet die Grenzen des Bekannten. Zudem ist seine Expertise für die Farne des Südostens berühmt. Als ich ihn danach fragte, sagte er: »Ich konnte mich schon immer darauf konzentrieren, Dinge zu finden. Lange haben mich Farne interessiert. Ich konnte mit achtzig Sachen den Highway entlangfahren, an dieser Wand aus grünem Zeug vorbei, und dabei in voller Fahrt Farne bestimmen. Ich finde eine Pfeilspitze in einem Kiesbett.«
Nachdem Cressler zu CART gekommen war, stieg die Entdeckungsrate. Er ist verantwortlich für die Entdeckung von mehr als einem Drittel der Namenlosen Höhlen. Er kann nicht mehr so aggressiv forschen wie damals, jetzt hat er es auf die Kunst abgesehen und macht Fotos. Es gibt ein paar Höhlen, die Jan
nie gesehen hat und vielleicht nie sehen wird, weil sie zu schwer zu erreichen sind. Cressler geht rein und bringt Fotos mit.
An jenem Tag waren wir mit Jans ehemaligem Doktoranden Jay Franklin und ein paar seiner Studenten unterwegs. Alle trugen riesige Ponchos, wurden aber trotzdem klatschnass. Im Gehen sprach Franklin langsam und wohlüberlegt, gerade laut genug, damit ihn die Gruppe verstand. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Archäologie, die auf dem Plateau betrieben wird. Lange Zeit hätten die Südstaaten-Archäologen das Plateau fälschlicherweise für Niemandsland gehalten, erklärte er. Das habe daran gelegen, dass die Ureinwohner sich dort nicht dauerhaft angesiedelt hätten. Sie hätten keine guten Artefakte zurückgelassen,
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