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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mit dem kleinen Turnschuh in ihrer Hand unter einem der Apfelbäume. Es war das, darüber waren sie sich einig, was sie sich gewünscht hätte. Auf Jordans Bitte sprach Tom wieder den Psalm vierzig, obwohl er diesmal Mühe hatte, ihn zu Ende zu bringen. Jeder von ihnen erzählte etwas, woran er sich in Bezug auf Alice erinnerte. Während dieses Teils des improvisierten Trauergottesdiensts kam eine Gruppe von Handy-Leuten - ein kleiner Schwarm - nördlich von ihnen vorbei. Sie wurden bemerkt, aber nicht behelligt. Was Clay nicht im Geringsten überraschte. Sie waren geisteskrank, durften nicht berührt werden . wie Gunner und Harold seiner Überzeugung nach zu ihrem Leidwesen erfahren würden.
    Den größten Teil der Stunden mit Tageslicht verschliefen sie in dem Farmhaus, dann zogen sie nach Kent Pond weiter. Clay rechnete eigentlich nicht mehr so richtig damit, seinen Sohn dort vorzufinden, aber er hatte die Hoffnung, eine Nachricht von Johnny oder vielleicht auch Sharon vorzufinden, noch nicht aufgegeben. Vielleicht würde allein das Wissen, dass sie lebte, etwas von dem Kummer, den er jetzt empfand, von den Schultern nehmen - ein bedrückendes Gefühl, das so schwer auf ihm zu lasten schien wie ein mit Blei gefütterter Umhang.

KENT POND
1
    Sein früheres Haus - das Haus, in dem Johnny und Sharon zum Zeitpunkt des Pulses gelebt hatten - stand in der Livery Lane zwei Straßen nördlich der jetzt ausgefallenen Verkehrsampel, die den Mittelpunkt von Kent Pond bezeichnete. Es war die Art Haus, die in manchen Immobilienanzeigen als »Heimwerkerhaus«, in manchen auch als »Ersthaus« bezeichnet wurde. Vor ihrer Trennung hatten Clay und Sharon darüber gescherzt, ihr »Ersthaus« werde vermutlich auch ihr »Alterssitz« sein. Und als sie schwanger geworden war, hatten sie davon gesprochen, das Baby Olivia zu nennen, falls es sich als »weiblichen Geschlechts« erwies, wie Sharon zu sagen pflegte. Dann, sagte sie, hätten sie die einzige Livvie in der Livery Lane. Wie sie doch beide darüber gelacht hatten.
    Clay, Tom und Jordan - ein blasser Jordan, ein nachdenklich schweigsamer Jordan, der Fragen jetzt meist erst beantwortete, wenn sie ein zweites oder gar drittes Mal gestellt wurden - erreichten die Kreuzung Main Street und Livery Lane kurz nach Mitternacht in einer windigen Nacht in der zweiten Oktoberwoche. Clay starrte das Stoppschild an der Ecke seiner alten Straße, die er in den letzten vier Monaten nur mehr als Besucher gesehen hatte, mit wildem Blick an. Wie vor seiner Abfahrt nach Boston stand dort noch immer Atomkraft mit Schablone und Sprühfarbe geschrieben. STOP ... Atomkraft. STOP ... Atomkraft. Er schien den Sinn dieser Aussage nicht begreifen zu können. Es war keine Frage der Bedeutung, denn die war ihm durchaus klar, nur irgendje-mands clevere kleine politische Aussage (hätte er genau hingesehen, hätte er sie vermutlich auf Stoppschildern im ganzen Ort, vielleicht auch in Springvale und Acton entdeckt), aber das Verständnis dafür, wie diese Aufschrift unverändert sein konnte, wo sich doch die ganze Welt verwandelt hatte - das fehlte ihm. Clay hatte irgendwie das Gefühl, wenn er STOP ... Atomkraft mit genügend verzweifelter Intensität anstarrte, werde sich irgendein Wurmloch, eine Art SF-Tunnel öffnen, und er werde mit einem Hechtsprung in die Vergangenheit zurückkehren, in der es dies alles nicht gab. All diese Dunkelheit. »Clay?«, sagte Tom. »Alles in Ordnung mit dir?« »Das ist meine Straße«, sagte Clay, als wäre damit alles erklärt, und dann rannte er los, ohne recht zu wissen, was er vorhatte.
    Die Livery Lane war eine Sackgasse, alle Straßen in diesem Teil der Stadt endeten an der Flanke des Kent's Hill, der in Wirklichkeit ein erodierter Berg war. Sie war mit Eichen bestanden, und der Asphalt war mit einem Teppich aus abgefallenem Laub bedeckt, das unter seinen Sohlen raschelte. Außerdem standen überall verlassene Autos herum, darunter zwei, die Kühlergrill an Kühlergrill zu einem anstrengenden mechanischen Kuss vereint waren.
    »Wo will er hin?«, rief Jordan hinter ihm. Obwohl Clay die Angst nicht mochte, die er in Jordans Stimme hörte, konnte er nicht anhalten.
    »Ihm fehlt nichts«, sagte Tom. »Lass ihn rennen.« Clay schlängelte sich zwischen den liegen gebliebenen Autos hindurch, wobei der Lichtstrahl seiner Taschenlampe vor ihm hertanzend ins Dunkel hineinstach. Bei einem dieser Schwenks erfasste er Mr. Krets-kys Gesicht. An Haarschneidetagen hatte Mr. Kretsky

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