Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
ihrem Rucksack, auf dem sie jetzt auch lag. Auf dem sie mit seitlich zerschmettertem Kopf lag, weil irgendjemand eine kleine Rechnung hatte begleichen wollen. Auch ihre Füße zuckten, wie er jetzt sah, und er konnte noch immer spüren, wie das Blut aus ihr floss, den Pullover tränkte und ihm über die Hände lief.
    Nun sind wir am Ende der Welt angelangt, dachte er. Dann blickte er zum Himmel auf und sah den Abendstern.

13
    Sie war nie richtig bewusstlos, kam aber auch nie mehr richtig zu Bewusstsein. Tom gewann seine Selbstbeherrschung wieder und half Clay, sie den Hang auf ihrer Straßenseite hinaufzutragen. Dort oben standen Bäume, die nach Clays Erinnerung zu einer Obstplantage gehörten. Er glaubte, Sharon und er hätten hier einmal Äpfel gepflückt, als Johnny noch klein war. Als sie noch gut miteinander ausgekommen waren und es keinen Streit über Geld und die Zukunft gegeben hatte.
    »Leute mit schlimmen Kopfverletzungen soll man möglichst nicht transportieren«, meldete sich Jordan besorgt zu Wort, während er mit Alice' Rucksack hinter ihnen herstapfte.
    »Das braucht uns keine Sorgen zu machen«, sagte Clay. »Sie wird unmöglich überleben, Jordan. Nicht in diesem Zustand. Ich glaube nicht, dass selbst Ärzte in einem Krankenhaus viel für sie tun könnten.« Er sah, dass Jordans mühsam bewahrte Fassung zu zerbrechen begann. Es war hell genug, das zu sehen. »Tut mir Leid.«
    Sie legten sie ins Gras. Tom versuchte, ihr etwas aus einer Mineralwasserflasche mit Trinkverschluss einzuflößen, und sie nahm tatsächlich etwas zu sich. Jordan gab ihr den Turnschuh, den Baby-Nike, und sie nahm auch den, drückte ihn und hinterließ blutige Spuren darauf. Dann warteten sie ihr Sterben ab. Sie warteten die ganze Nacht lang.

14
    »Daddy hat gesagt, ich kann den Rest haben«, sagte sie, »also mach mir keine Vorwürfe.« Das war gegen elf Uhr nachts. Sie lag mit dem Kopf auf Toms Rucksack, den er mit einem Motelhandtuch, das er aus dem Sweet Valley Inn mitgenommen hatte, gepolstert hatte. Das war am Rand von Methuen gewesen - in einer Zeit, die ihnen jetzt wie ein anderes Leben erschien. Wie ein eindeutig besseres Leben. Der Rucksack war bereits von Blut durchweicht Ihr verbliebenes Auge starrte zu den Sternen auf. Ihre linke Hand lag ausgestreckt im Gras neben ihr. Sie hatte sich seit über einer Stunde nicht mehr bewegt. Mit der rechten Hand knautschte sie unaufhörlich den kleinen Turnschuh. Knautschen ... und loslassen. Knautschen ... und loslassen.
    »Alice«, sagte Clay, »bist du durstig? Willst du noch etwas Wasser?«
    Sie gab keine Antwort.

15
    Später - nach Clays Uhr um Viertel vor eins - fragte sie irgendjemanden, ob sie schwimmen gehen dürfe. Zehn Minuten später sagte sie: »Ich will diese Tampons nicht, diese Tampons sind schmutzig«, und lachte. Ihr Lachen klang schockierend natürlich und ließ Jordan, der etwas gedöst hatte, aufschrecken. Er sah, wie sehr ihr Zustand sich verschlimmert hatte, und begann zu weinen. Dazu entfernte er sich etwas von den anderen. Als Tom sich zu ihm setzen und ihn trösten wollte, schrie Jordan ihn an, er solle verschwinden.
    Um Viertel nach zwei zog auf der Straße unter ihnen eine große Gruppe von Normies vorbei: viele Taschenlampen, die in der Dunkelheit auf und ab tanzten. Clay trat an die Hangkante und rief zu ihnen hinunter. »Es ist nicht zufällig ein Arzt unter euch?«, fragte er ohne große Hoffnung.
    Die Taschenlampen kamen ruckartig zum Stehen. Die dunklen Gestalten unter ihm berieten sich murmelnd, dann rief eine Frauenstimme, eine wundervoll melodische Stimme, zu ihm hinauf: »Lasst uns in Ruhe. Der Umgang mit euch ist verboten.«
    Tom gesellte sich an der Hangkante zu ihm. »›Und desgleichen ging auch ein Levit vorüber‹!«, rief er hinunter. »Das ist die Bibelversion von leck mich, Lady.«
    Hinter ihnen sprach Alice plötzlich mit kräftiger Stimme. »Um die Männer in dem Wagen kümmern wir uns. Nicht aus Gefälligkeit euch gegenüber, sondern als Warnung für andere. Ihr versteht schon.«
    Tom packte Clay mit einer kalten Hand am Handgelenk. »Jesus Christus, das klingt, als wär sie wach«, sagte er.
    Clay ergriff mit beiden Händen Toms Hand und hielt sie fest. »Das ist nicht sie«, sagte er. »Das ist der Kerl in der roten Kapuzenjacke, der sie als ... als Lautsprecher benützt.«
    In der Dunkelheit wirkten Toms Augen riesig. »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es«, sagte Clay.
    Unter ihnen bewegten die Taschenlampen

Weitere Kostenlose Bücher