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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Faust gegen den Mund gepresst hielt.
    »Fangt das Mädchen auf!«, blaffte der Rektor. »Sie wird gleich ohnmächtig!«
    »Nein . mir fehlt nichts«, sagte Alice, aber als Clay nun einen Arm um sie legte, sank sie keuchend, fast hechelnd gegen ihn. Die Augen behielt sie offen, aber ihr Blick war starr, so als stünde sie unter Drogen.
    »So liegen sie auch unter den Tribünen«, sagte Jordan. Er sprach mit bemühter, fast angeberischer Ruhe, die Clay ihm keine Sekunde lang abnahm. Es war die Stimme eines Jungen, der seinen Freunden versicherte, dass die Maden, die in den Augen einer toten Katze wimmelten, ihm nicht das Geringste ausmachten . unmittelbar bevor er sich vornüberbeugte, um sich würgend zu übergeben. »Ich und der Rektor glauben, dass sie dort die Verletzten ablegen, also die, die wahrscheinlich nicht wieder auf die Beine kommen.«
    »Der Rektor und ich, Jordan.«
    »Entschuldigung, Sir.«
    Debby Boone erreichte ihre poetische Katharsis und verstummte. Dann folgte eine Pause, bevor Lawrence Welks Champagne Music Makers abermals den »Baby Elephant Walk« erklingen ließen. Dodge hat sich auch gut amüsiert, dachte Clay.
    »Wie viele von diesen Gettoblastern haben sie zusammengeschaltet?«, fragte er Rektor Ardai. »Und wie haben sie das alles hingekriegt? Sie sind hirnlos, um Himmels willen, Zombies!« Ihn überfiel eine schreckliche Vorstellung, die unlogisch und überzeugend zugleich war. »Haben Sie das bewerkstelligt? Um sie ruhig zu stellen oder . ich weiß nicht .«
    »Er war's nicht«, sagte Alice. Sie sprach ruhig von ihrem sicheren Platz in Clays Armbeuge aus.
    »Nein, und beide Ihrer Annahmen sind falsch«, erklärte der Rektor ihm.
    »Beide? Ich verstehe nicht, was .«
    »Sie müssen begeisterte Musikliebhaber sein«, sagte Tom nachdenklich. »Andererseits gehen sie nicht gern in Gebäude. Aber dort sind die CDs, stimmt's?«
    »Von den Gettoblastern ganz zu schweigen«, sagte Clay.
    »Für Erklärungen reicht die Zeit jetzt nicht mehr. Der Himmel im Osten wird schon heller, und ... Sag's ihnen, Jordan.«
    Jordan antwortete pflichtbewusst, aber im leiernden Tonfall eines Schülers, der etwas aufsagt, was er selbst nicht recht versteht. »Alle guten Vampire müssen vor dem ersten Hahnenschrei wieder drinnen sein, Sir.«
    »Ganz recht - vor dem ersten Hahnenschrei. Vorerst brauchen Sie sich sie nur anzusehen. Das genügt zunächst. Sie haben nicht gewusst, dass es solche Orte gibt, nicht wahr?«
    »Alice hat's gewusst«, sagte Clay.
    Sie sahen die vor ihnen Liegenden an. Und weil der Himmel tatsächlich heller zu werden begann, erkannte Clay nun, dass die Augen in allen diesen Gesichtern offen standen. Er ahnte jedoch, dass sie nichts sahen; sie waren nur ... offen.
    Hier läuft irgendwas Schlimmes ab, dachte er. Dass sie sich in Schwärmen gesammelt haben, war erst der Anfang.
    Die eng aneinander gepressten Körper und leeren Gesichter (überwiegend von Weißen; schließlich waren sie hier in Neuengland) zu sehen, war schlimm genug, aber die blicklos in den Nachthimmel starrenden Augen erfüllten ihn mit namenlosem Entsetzen. Irgendwo, nicht allzu weit entfernt, begann der erste Vogel zu singen. Das war zwar kein Hahnenschrei, aber der Rektor fuhr trotzdem zusammen und geriet darauf ins Schwanken. Diesmal war es Tom, der ihn stützte.
    »Kommen Sie, kommen Sie«, forderte der Rektor sie auf. »Bis zur Cheatham Lodge ist's nicht weit, aber wir sollten uns trotzdem beeilen. Die feuchte Kälte hat mich ganz steif gemacht. Nimm meinen Ellbogen, Jordan.«
    Alice löste sich von Clay und trat auf die andere Seite des Alten. Er bedachte sie mit einem eher furchteinflößenden Lächeln und schüttelte den Kopf. »Jordan kann sich um mich kümmern. Wir helfen uns jetzt gegenseitig - nicht wahr, Jordan?«
    »Ja, Sir.«
    »Jordan?«, fragte Tom. Sie näherten sich einem großen (und ziemlich protzigen) Gebäude im Tudorstil, das Clay für die Cheatham Lodge hielt.
    »Sir?«
    »Der Text über der Anzeigetafel ... Ich habe ihn nicht lesen können. Was steht dort?«
    »WILLKOMMEN, LIEBE EHEMALIGE, ZUM GROSSEN SCHULFEST.« Jordan hätte fast gelächelt, aber dann fiel ihm offenbar wieder ein, dass es dieses Jahr kein großes Schulfest geben würde - die Girlanden an den Tribünen waren bereits ramponiert -, und die Fröhlichkeit verließ sein Gesicht. Wäre er nicht so müde gewesen, hätte er vielleicht die Fassung bewahrt, aber es war sehr spät, schon fast Tag, und als sie den Fußweg zum Haus des Rektors

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