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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Biskuitschnitten. Jetzt kamen sie an der Citgo-Tankstelle vorbei. Diesmal verpasste der Mann ihr einen weit ausholenden Nackenschlag, bevor er in die Packung griff, um sich die nächste Köstlichkeit herauszuholen. Die Frau blieb stehen. Sah ihn an. Und im nächsten Augenblick blieb auch der Mann stehen. Er war etwas voraus, sodass er ihr größtenteils den Rücken zukehrte.
    In der sonnendurchwärmten Stille des Kassenhäuschens spürte Clay etwas. Nein, dachte er, nicht im Raum, in mir selbst. Kurzatmigkeit, so als wär ich eine Treppe zu schnell raufgerannt.
    Aber vielleicht war es auch im Raum, weil .
    Tom stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr: »Spürst du's auch?«
    Clay nickte, dann zeigte er auf die Kassentheke. Hier drinnen gab es keinen Wind, keinen fühlbaren Zug, aber das auf der Theke liegende Werbematerial flatterte. Und im Aschenbecher hatte die Asche geruhsam zu kreiseln begonnen wie Wasser, das aus einer Badewanne abfloss. Im Aschenbecher lagen auch zwei Zigarettenkippen - nein, drei -, und der Aschewirbel schien sie nun in die Mitte zu ziehen.
    Der Mann wandte sich der Frau zu. Er sah sich nach ihr um. Sie sah ihn an. Sie blickten einander an. Clay konnte keinen Ausdruck auf ihrem Gesicht erkennen, aber er merkte, wie seine Armhärchen sich sträubten, und hörte ein leises Klirren. Das waren die Autoschlüssel am Schlüsselbrett unter dem KEIN ABSCHLEPPDIENST -Schild. Auch sie bewegten sich, stießen kaum merklich aneinander und klirrten dabei.
    »Aw!«, sagte die Frau. Sie streckte eine Hand aus.
    »Iiin!«, sagte der Mann. Er trug die ausgebleichten Reste eines Anzugs. Seine Füße steckten in mattschwarzen Schuhen. Vor sechs Tagen konnte er jemand aus dem mittleren Management, ein Firmenvertreter oder der Verwalter einer Wohnanlage gewesen sein. Jetzt war der einzige Besitz, aus dem er sich etwas machte, die Großpackung Biskuitschnitten. Er hielt sie an die Brust gedrückt, während er mit klebrigen Lippen schmatzte.
    »Aw!«, wiederholte die Frau drängend. Sie streckte jetzt beide Hände aus, was seit undenklichen Zeiten Gib her! bedeutete, und die Schlüssel klirrten lauter. Über Clay summte etwas. Eine Leuchtstoffröhre, für die es keinen Strom mehr gab, flammte kurz auf und erlosch wieder. Die Zapfpistole der mittleren Säule fiel aus ihrer Halterung und schlug dumpf auf dem erhöhten Betonsockel auf.
    »Aw«, sagte der Mann. Seine Schultern sanken herab, und sein Körper schien alle Spannung zu verlieren. Auch die in der Luft liegende Spannung verflüchtigte sich. Die Schlüssel am Schlüsselbrett hörten zu klirren auf. Die Asche beschrieb langsam einen letzten Kreis in ihrem Reliquienbehälter aus verbeultem Metall und kam dann zur Ruhe. Man hätte nicht gewusst, dass irgendetwas passiert war, dachte Clay, wären nicht die heruntergefallene Zapfpistole dort draußen und das Häufchen Zigarettenkippen in dem Aschenbecher auf der Theke hier drinnen gewesen.
    »Aw«, sagte die Frau. Sie hielt weiter die Hände ausgestreckt. Ihr Gefährte trat auf sie zu, bis sie die Packung in Reichweite hatte. Sie nahm je eine Biskuitschnitte in jede Hand und begann die süßen Teile zu essen - mitsamt der Zellophanhülle. Auch das beruhigte Clay, wenn auch nur ein wenig. Als das Paar langsam in Richtung Stadt weiterschlurfte, blieb die Frau nur einmal lange genug stehen, um ein mit Sahnefüllung bedecktes Stück Zellophan seitlich auszuspucken. Die 100 beliebtesten Hunderassen der Welt interessierten sie nicht mehr.
    »Was war das denn?«, fragte Tom mit leiser, zittriger Stimme, als die beiden fast außer Sicht waren.
    »Keine Ahnung, aber mir hat's nicht gefallen«, sagte Clay. Er hielt die Schlüsselkettchen mit den Schlüsseln der Gastankwagen in der Hand. Eines davon gab er Tom. »Kannst du einen Wagen mit Handschaltung fahren?«
    »Ich hab's mit Handschaltung gelernt. Kannst du's denn?«
    Clay lächelte geduldig. »Ich bin hetero, Tom. Heteros brauchen keinen Unterricht, um mit Handschaltung fahren zu können. Diese Fähigkeit ist uns angeboren.«
    »Sehr witzig.« Tom hörte kaum zu. Er sah hinter dem weitergegangenen Paar her, und der Puls seitlich an seiner Kehle klopfte hektischer als je zuvor. »Ende der Welt, Jagd frei auf die Schwulen, warum nicht auch das, stimmt's?«
    »Klar doch. Nur ist die Jagd auf Heteros auch bald frei, wenn sie diesen Scheiß unter Kontrolle bekommen. Komm, wir müssen los.«
    Er wollte zur Tür hinaus, aber Tom hielt ihn kurz zurück. »Hör

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