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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ausgebildet waren. Auf den Seiten beider Wagen standen die Worte Academy Propangas und Wir beliefern den Süden New Hampshires seit 1982.
    Auf diesem Teilstück der Academy Avenue waren anscheinend keine Handy-Verrückten auf Beutesuche unterwegs, und obwohl vor den Türen der meisten Häuser, die Clay sehen konnte, Schuhe standen, war das nicht überall der Fall. Der Flüchtlingsstrom schien zu versiegen. Lässt sich aber noch nicht bestimmt sagen, warnte er sich selbst.
    »Sir? Clay? Was steht da?«, fragte Jordan. Er zeigte auf die Mitte der Avenue - die natürlich weiter die Route 102 war, obwohl man das an diesem sonnigen, stillen Nachmittag, an dem die lautesten Geräusche Vogelstimmen und das Rascheln von Blättern im Wind waren, leicht vergessen konnte.
    Auf dem Asphalt stand etwas mit leuchtend rosa Kreide Geschriebenes, das Clay aber von ihrem Standort aus nicht lesen konnte. Er schüttelte den Kopf. »Kann's losgehen?«, fragte er Tom.
    »Klar«, sagte Tom. Er bemühte sich, lässig zu wirken, aber an seiner unrasierten Kehle war seitlich ein hektischer Puls zu sehen. »Du Batman, ich Wunderknabe.«
    Sie trabten mit ihren Pistolen in der Hand über die Straße. Die russische Schnellfeuerwaffe hatte Clay bei Alice zurückgelassen, obwohl er mehr oder weniger davon überzeugt war, dass die Waffe sie kreiseln lassen würde, wenn sie diese tatsächlich gebrauchte.
    Auf den Asphalt war mit rosa Kreide eine rätselhafte Botschaft gekritzelt:
    KASHWAK = NO-FO
    »Sagt dir das irgendwas?«, fragte Tom.
    Clay schüttelte den Kopf. Es sagte ihm nichts, und im Augenblick war ihm das auch egal. Er wollte nur von der Mitte der Aca-demy Avenue wegkommen, auf der er sich wie auf einem Präsentierteller fühlte. Ihm fiel ein - plötzlich und nicht zum ersten Mal -, dass er seine Seele dafür verkauft hätte, nur um zu wissen, dass es seinem Sohn gut ging und er sich an einem Ort befand, an dem Kindern, die bei Videospielen gut waren, nicht Waffen in die Hände gedrückt wurden. Das Ganze war seltsam. Eigentlich glaubte er, seine Prioritäten gesetzt zu haben und seine persönlichen Anliegen nacheinander abzuarbeiten, aber dann kamen ihm immer solche Gedanken, von denen jeder so neu und schmerzhaft wie unerledigter Kummer war.
    Verschwinde, Johnny. Du gehörst nicht hierher. Nicht dein Ort, nicht deine Zeit.
    Die Tankwagen mit dem Flüssiggas waren ordentlich geparkt und abgesperrt, was aber kein großes Hindernis war; heute war das Glück auf ihrer Seite. Die Schlüssel hingen im Kassenhäuschen an einem Schlüsselbrett unter einem Schild, auf dem KEIN ABSCHLEPPDIENST 0-6 UHR - KEINE AUSNAHMEN stand. An beiden Schlüsselkettchen baumelte je eine winzige Propangasflasche. Auf halbem Weg zum Ausgang wurde Clay von Tom an der Schulter berührt.
    Zwei Handy-Verrückte kamen gerade die Straßenmitte entlang: nebeneinander, aber keineswegs im Gleichschritt. Der Mann aß gefüllte Biskuitschnitten aus einer Großpackung; sein Gesicht war mit Sahne, Krümeln und Zuckerguss verschmiert. Die Frau trug ein großformatiges Buch so vor sich her, dass sie Clay an eine Chorsängerin mit einem übergroßen Gesangbuch erinnerte. Auf dem Umschlag schien ein Collie beim Sprung durch eine Reifenschaukel abgebildet zu sein. Die Tatsache, dass die Frau das Buch verkehrt herum hielt, beruhigte Clay etwas. Das leere, interesselose Gesicht der beiden - und die Tatsache, dass sie allein unterwegs waren, was bedeuten musste, dass sich tagsüber wie bisher keine Schwärme zusammenfanden - beruhigte ihn noch mehr.
    Aber dieses Buch gefiel ihm nicht.
    Nein, dieses Buch gefiel ihm überhaupt nicht.
    Sie schlurften an den Steinsäulen vorbei, und Clay konnte sehen, wie Alice, Jordan und der Rektor mit großen Augen dahinter hervorspähten. Die beiden Verrückten passierten die mit Kreide auf die Straße geschriebene rätselhafte Botschaft - KASHWAK = NO-FO -, und die Frau griff nach den Biskuitschnitten ihres Begleiters. Der Mann zog die Packung von ihr weg. Die Frau warf ihr Buch fort (es blieb so liegen, dass Clay nun den Titel, Die 100 beliebtesten Hunderassen der Welt, lesen konnte) und griff wieder zu. Der Mann schlug sie so kräftig ins Gesicht, dass ihr schmutziges Haar hochflog. In der Mittagsstille klang der Schlag überaus laut. Dabei gingen die beiden weiter, ohne langsamer zu werden. Die Frau gab einen Laut von sich: »Aw!« Der Mann erwiderte (Clay fand, dass es wie eine Antwort klang): »Iiiin!« Dann griff die Frau wieder nach den

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