Pulverfass Iran
Kulissen, Beobachter berichten von Machtkämpfen an verschiedensten Fronten (siehe Machtkampf mit den Mullahs).
Aber auch das Volk rebellierte nach einer ziemlich unpopulären Entscheidung des Präsidenten. Ahmadinedschad hat die Subventionen für Energie und Lebensmittel drastisch gekürzt und so ist der Spritpreis auf das Vierfache angestiegen. Lag der Preis für einen Liter Benzin zuvor bei unter zehn Eurocent, stieg er bald auf mindestens 30 Cent an. Ahmadinedschad hofft, dass der Rückgang des Verbrauchs die Abhängigkeit des Irans vom Ausland verringert. Dahinter steckt das Problem, dass der Iran zu wenige Raffineriekapazitäten besitzt. Als eines der ölreichsten Länder der Welt muss der Gottesstaat 40 Prozent seines Benzins einführen. Das bringt große Teile der Bevölkerung auf die Barrikaden. Auch Heizung, Gas und Lebensmittel sollen spürbar teurer werden. Kritiker befürchten, dass die ohnehin hohe Inflation in dem unter den harten Sanktionen leidenden Land wächst: Offiziell liegt sie bei etwa zehn Prozent, tatsächlich dürfte sie doppelt so hoch sein. Die Iraner fürchten einen weiteren Absturz in die Armut. Das Jahreseinkommen pro Einwohner erreicht nach Berechnungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds lediglich 4500 Dollar. Damit misst sich Iran mit Bosnien und Mazedonien. Obwohl Iran über die drittgrößten Vorkommen an Öl verfügt und über die zweitgrößten an Gas, sinkt der Lebensstandard als Folge einer fragwürdigen Wirtschaftspolitik von Jahr zu Jahr. Der Preis für Brot hat sich vervierfacht, verteuert haben sich auch die Kosten für Elektrizität und Wasser. Die Transportbetriebe haben ihre Preise um zehn Prozent angehoben, was die zusätzlichen Kosten aber |26| nicht deckt. Auch die polternde Außenpolitik Ahmadinedschads stößt nicht auf Gegenliebe: Ahmadinedschads Politik habe die Islamische Republik weltweit isoliert, so seine Kritiker, denn der Präsident provoziere an allen internationalen Fronten. Da ist der Streit um das iranische Nuklearprogramm, in dem Ahmadinedschad die Weltgemeinschaft an der Nase herumführt und den Westen immer wieder von Neuem herausfordert. Er lässt kaum eine Gelegenheit aus, das Existenzrecht Israels in Zweifel zu ziehen und den Holocaust zu leugnen. Er lässt sich, wie zuletzt im Oktober 2009, im Libanon feiern und unterstützt zudem die palästinensische Hamas und den Kampf der libanesischen Hisbollah gegen Israel. Wie viele Iraner wirklich hinter ihm stehen, lässt sich nur schätzen. Auch welche konkreten Ziele der promovierte Ingenieur verfolgt, bleibt im Dunkeln. Der Sohn eines Schmiedes ist ein frommer Eiferer wie kein anderer Präsident seit Bestehen der Islamischen Republik. Viele halten ihn für einen religiösen Fanatiker, einen Apokalyptiker, der seine Politik an der baldigen Rückkehr des verschwundenen zwölften Imam Mahdi, des schiitischen Messias, ausrichtet.
Soll man diesen Präsidenten ernst nehmen? Man sollte. Denn es ist die Unberechenbarkeit dieses Mannes, die ihn besonders in den Augen des Westens so gefährlich macht. Dass er den Westen, aber auch viele seiner politischen Rivalen über seine wahren Absichten im Unklaren lässt – das ist vielleicht sogar sein größter Trumpf. Aber was steckt wirklich hinter diesem Mann?
Vom Revolutionswächter zum Bürgermeister von Teheran
Die Familie von Mahmud Ahmadinedschad stammt aus Aradan, einem kleinen Dorf in der Provinz Semnan in Nordiran. Der heutige Präsident wird 1956 als viertes von sieben Kindern |27| eines Schmiedes geboren. Als Ahmadinedschad ein Jahr alt ist, zieht die Familie nach Teheran um. In Teheran wird der Student der Ingenieurwissenschaften an der Elm-o-Sanaat Universität bereits zu Zeiten des Schah Mitglied religiös-oppositioneller Zirkel. Nach der Revolution 1979 gründet er mit Kommilitonen die Gruppe „Studenten auf der Linie des Imam“. Es ist jene Gruppe, die im Herbst 1979 die amerikanische Botschaft in Teheran besetzt und anschließend 52 U S-Diplomaten 444 Tage als Geiseln in der „Laneje-Dschasussi“, dem Spionagenest, wie es die Iraner nennen, festhält. Es kursiert ein Foto, auf dem ein Mann zu sehen ist, der dem heutigen Präsidenten sehr ähnlich sieht, und das beweisen soll, dass der Präsident an der Seite einer Geisel steht. Ahmadinedschad hat das immer bestritten.
Dass er bereit ist, sein Leben für seine revolutionären Ideale zu opfern, beweist Ahmadinedschad, als er sich im September 1980 nach dem Angriff Saddam
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