Pulverfass Iran
Husseins auf den Iran freiwillig zu den Pasdaran meldet. Neun Jahre lang gehörte er der Elitetruppe des Gottesstaates an; bis heute gibt es viele Gerüchte über diese Periode im Leben des Präsidenten. Nach nicht belegten Angaben soll sich der Revolutionsfanatiker in der Abteilung „Innere Sicherheit“ der Pasdaran als Verhörspezialist und Folterknecht hervorgetan haben. Im berüchtigten Evin-Gefängnis am Rande Teherans sei sein Spitzname „Tausend-Schuss-Mann“ gewesen. Später schloss er sich der berüchtigten Sondereinheit „Sepah-e-Ghods“ („Armee Jerusalem“) an, einer Spezialeinheit für Auslandsoperationen. Die Eliteeinheit für Auslandseinsätze der Pasdaran, der Revolutionswächter, trägt den Namen „Ghods“ (iran. „Jerusalem“) oder „Al-Quds“ (arab. „Jerusalem“). Es soll die Solidarität des Iran mit der Palästinenserfrage symbolisieren.
Der heutige Präsident soll bei der Planung und Durchführung von Liquidierungen der Dissidenten im In- und Ausland mitgewirkt haben. Ahmadinedschad soll auch bei den Attentaten |28| auf den kurdischen Exil-Politiker Ghassemlou und zwei seiner Freunde 1989 in Wien beteiligt gewesen sein. Das belegen angeblich Unterlagen, die der österreichische Grünen-Abgeordnete Peter Pilz eingesehen hat. Ahmadinedschad habe die Waffen verwaltet und soll Teil des Exekutionskommandos gewesen sein. 9 Ihm wird zudem die Beteiligung an weiteren Morden, zum Beispiel an dem Attentat gegen Shahpur Bachtiar, dem letzten Ministerpräsidenten des Schah, der 1991 in Paris ermordet wurde, nachgesagt. Aber auch diese Tat konnte ihm nie endgültig nachgewiesen werden.
Nach dem Studium und dem Ende des Krieges steigt der inzwischen promovierte Ingenieur für Verkehrstechnik im Nordwesten des Landes zum Regierungsdirektor für die Provinzstädte Maku und Choi auf, die an der Grenze zu Aserbaidschan liegen. Später wird Ahmadinedschad zum Gouverneur der Provinz Ardebil im Nordwestiran. 2003 gelingt dem Vater dreier Kinder der Durchbruch, als er zum Bürgermeister von Teheran gewählt wird und sich vor allem bei der ärmeren Bevölkerung der Vorstädte viele Sympathien verschafft. Dort beweist er seine Durchsetzungsfähigkeit. Er geht gegen Bausünden und das beispiellose Verkehrschaos in der Hauptstadt vor und verleiht der Betonwüste Teheran ein grünes Antlitz. Seine Wahl zum Staatspräsidenten 2005 verdankt er zum größten Teil den Mostazafin, den Armen und Entrechteten. Um ihr Schicksal zu bessern, waren die Väter der Islamischen Revolution von 1979 einst angetreten.
Mit Blick auf seine Wählerschaft in den Armenvierteln sagt er der Korruption und Misswirtschaft den Kampf an. Symbolisch mischt er sich unters Volk, oft als Müllmann getarnt. Im Präsidentschaftswahlkampf stellt er sich als „der kleine Diener und Straßenkehrer der iranischen Nation“ vor, der allerdings kein Pardon kennt.
Anlässlich seiner Präsidentschaftskampagne 2005 spielt Ahmadinedschad die populistische Karte. Er lehnt es ab, wie viele religiöse Führer in den reichen Norden zu ziehen, und |29| zieht es vor, in seinem bescheidenen Dreizimmerappartement im Osten Teherans zu bleiben. (Inzwischen ist aber auch er in den reichen Norden gezogen, wo die Luft besser ist.) Er macht sich sogar über seinen Vorgänger Mohammad Chatami lustig, der im Saad’Abad-Palast des vertriebenen Schah residiert. Auch eine von seinen Vorgängern dem Sultan von Brunei abgekaufte Präsidentenmaschine, die bei Airbus in Toulouse restauriert wurde, nutzt er nicht. „Für Aristokraten ist kein Platz in meiner Regierung“, verkündet der Präsident. 10
Auch versteht es Ahmadinedschad, sich öffentlichkeitswirksam für den einfachen Mann stark zu machen, Regierungsangestellte für ihren üppigen Lebensstil zu kritisieren und sie zu ermahnen, nach dem asketischen Vorbild des Propheten Mohammed zu leben. Als er sich offiziell als Präsidentschaftskandidat anmeldet und dabei seine Vermögensverhältnisse offenlegt, kommt heraus, dass seine zwei Bankkonten nahezu leer sind und dass er einen (inzwischen versteigerten) dreißig Jahre alten Peugeot 504 besitzt. Ahmadinedschad ist im Gegensatz zu Chamenei oder Rafsandschani kein Kind eines Würdenträgers, sondern kommt aus dem vermögenslosen Kleinbürgertum. Er kennt die Härten des Alltags, die Arbeitslosigkeit und die Armut. Er fühlt sich der politischen Gruppierung der Abadgaran zugehörig, den „Erbauern eines islamischen Iran“. 11
Doch der anfängliche Elan des
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