Puppengrab
diesen Mann nicht kenne.«
Neil trat einen Schritt auf sie zu. »Aber das war eine Lüge.«
Sie sah an Neil vorbei. Er griff nach ihrem Arm. Da rastete sie aus. Mit dem rechten Ellbogen versetzte sie Neil einen Schlag gegen den Hals. Durch die geschlossenen Zähne stieß sie ein Keuchen aus und trat zugleich mit dem Knie nach oben. Neil drehte sich instinktiv fort, um die Schläge abzuwehren. Doch er konnte von Glück reden, dass es ihm gelang, sie innerhalb von zwei Sekunden gegen die Wand zu pressen und ihre Handgelenke über dem Kopf zusammenzuhalten.
»Lassen Sie mich gefälligst los«, schnaufte sie.
»Was, zum Teufel, sollte das?« Neils Puls raste. Er konnte es nicht fassen, dass sie ihn so unvorbereitet erwischt hatte. Doch noch viel weniger konnte er es fassen, dass sie so heftig auf die bloße Berührung ihres Arms reagiert hatte. Selbst jetzt, wo sie gegen die Wand gepresst dastand, schien sie ihre Situation genau abzuwägen und sich irgendein abgefahrenes Jackie-Chan-Manöver auszudenken. Er hatte für das FBI und die Firma Sentry gearbeitet und war doppelt so groß wie sie – verdammt noch mal!
»Keine gute Idee«, warnte er sie. »Es mag zwar sein, dass Sie irgendeinen schwarzen Gürtel haben, aber ich kenne jeden Ihrer Tricks und noch ein Dutzend weiterer, von denen Sie noch nie gehört haben.«
Als sie sich heftig wand, rückte er näher. Falls jemand kam, sollte es so aussehen, als wären sie ein Liebespaar und als flüstere er ihr süße Nichtigkeiten ins Ohr. Dabei glich es einem militärischen Einsatz, Beth Denison in Zaum zu halten. »Ich will Antworten«, sagte er.
»Sie sollen mich loslassen.«
»Warum haben Sie gerade versucht, mir an die Gurgel zu gehen?« Mist. Die falsche Frage. Er hätte sie nach dem Telefonanruf fragen sollen. Doch sein Hirn hatte einen Kurzschluss erlitten. Sinnesüberreizung. Ihr Haar duftete nach Beeren, er spürte den Puls an ihren Handgelenken, den Druck ihrer Brüste gegen seine Rippen. »Antworten Sie mir«, befahl er. »Warum sind Sie auf mich losgegangen?«
»Sie haben mich angegrapscht«, fauchte sie.
»Ich habe Sie berührt. Das ist ein Unterschied.«
»Sie berühren mich immer noch. Lassen Sie mich jetzt los!«
Neil hielt ihrem Blick stand, doch dann konnte er nicht widerstehen, mit den Augen zu ihren Lippen zu wandern. Der Bann brach sofort, als er sah, wie fest verschlossen sie waren. Sie hielten Elizabeth Denisons Geheimnisse mit Gewalt zurück.
Er fluchte und ließ sie los. Doch als sie bemerkte, dass er ihr das Handy aus der Hand genommen hatte, ging sie erneut auf ihn los. »Scheren Sie sich zum Teufel!«, rief sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Was wollen Sie von mir?«
»Ich möchte wissen, was eine Frau dazu bringt, die Polizei anzulügen und dann jederzeit bereit zu sein, einem Kerl den Hals umzudrehen«, erwiderte er. »Aber fürs Erste will ich herausfinden, wer Sie während des Mittagessens angerufen hat.«
»Wie bitte?«
»Vor rund vierzig Minuten hat Ihr Handy geklingelt. Lieutenant Sacowicz glaubt, dass dieser Anruf aus Omaha kam.«
Sie blinzelte glaubhaft überrascht. Neil blickte auf das Display.
»Sie haben nicht das Recht, meine Telefonanrufe abzuhören! Ich verklage das Polizeirevier.«
Sie war auf eine so rechtschaffene Art von dem überzeugt, was sie sagte, dass Neil fast lachen musste. »Ich bin kein Polizeibeamter, schon vergessen? Natürlich könnten Sie gegen mich Anzeige erstatten, weil ich Sie tätlich angegriffen und Ihr Handy geklaut habe. Aber dann stünde wohl Aussage gegen Aussage.« Er setzte eine weitere Spitze nach. »Und
ich
bin schließlich nicht derjenige, der die Polizei in dieser Woche schon einmal belogen hat.«
»Geben Sie mir mein Handy zurück.«
Er schob ihre Hände beiseite und drückte auf OK . Auf dem Display war eine Nummer zu sehen: Vorwahl 402 . Schade. »Sie sind während des Essens nicht ans Handy gegangen«, sagte er, »doch dieser Anruf hat fast eine Minute gedauert. Dann muss Ihnen wohl jemand auf die Mailbox gesprochen haben, was?«
Denison stampfte wieder auf, während Neil zum zweiten Mal auf OK drückte und sich das Handy ans Ohr hielt.
»Ah, Beth, wo steckst du? Geh doch ans Telefon, Schätzchen. Ich muss mit dir sprechen.«
Neil gefror das Blut in den Adern. Das war keine Frau. Das war nicht die Besitzerin des Handys. War das die Stimme des Mörders von Gloria Michaels? Er legte auf und sah Elizabeth Denison an. Sie hatte noch eine Chance. »Wer war das?«
»Woher soll
Weitere Kostenlose Bücher