Puppengrab
Ihnen helfen, Sir?«, fragte der Wachmann, während er sich über den Beifahrersitz in Chevys Richtung beugte. Ganz von seiner Wichtigkeit überzeugt, ließ der Mann die Brust ein bisschen anschwellen.
»Also, das hoffe ich«, sagte Chevy. »Ich warte schon seit einer halben Stunde auf meine Frau – sie hat erst in dieser Woche eine Stelle in einem der Restaurants angenommen. Doch ihre Schicht ist schon seit zwanzig Minuten zu Ende.« Mit der Linken kratzte er sich kurz am Kinn. Nichts verlieh einem Mann ein größeres Maß an Seriosität als ein Ehering.
Der Wachmann spähte an Chevy vorbei und betrachtete seinen Wagen. Doch alles, was er sehen konnte, war eine Sporttasche, eine dunkle Jacke, die über etwas lag, und ein leerer Becher von Burger King. »Hat sie Ihnen gesagt, dass sie zum Haupteingang käme?«
»Haupteingang? Gibt es denn noch einen anderen Eingang als diesen hier?«
Der Wachmann schnippte mit den Fingern – Problem gelöst. »Die meisten Angestellten nehmen den Eingang um die Ecke. Wahrscheinlich wartet Ihre Frau dort auf Sie.«
Chevy schaffte es, betreten auszusehen. »Oh, vielen Dank. Ich glaube, sie sagte etwas von …« Aus dem Augenwinkel konnte er sie sehen – Miss Legs. Da war sie. Sie kam mit ihrer riesigen Tasche und drei weiteren Einkaufstüten aus dem Einkaufszentrum und ging etwas langsamer als vorher.
Chevy spürte, wie ihm das Adrenalin bis in die Zehenspitzen schoss.
Er warf dem Wachmann ein Lächeln zu. »Oh, ja, genau das hat sie gesagt. Tja, das erklärt dann wohl alles.«
»Ja. Sie können so herum fahren«, erklärte der Mann und deutete Chevy den Weg.
Doch dieser saß bereits im Wagen und ließ den Motor anspringen.
»Hey«, rief der Wachmann. Chevy versuchte, ihn anzusehen und gleichzeitig Miss Legs im Blick zu behalten. Wenn sie in ihren Wagen stieg, bevor dieser Idiot von Wachmann die Biege machte, war der ganze Tag verloren. Chevy konnte nicht in Indianapolis bleiben. Beth wartete auf ihn.
»Was?«, fragte er.
»Ich erkenne an Ihrem Nummernschild, dass Sie aus Washington kommen. Sind Sie ein Fan der Seahawks?«
»Nein.«
»Die Jungs waren in den letzten Jahren so dicht dran, wissen Sie. Und ich denke immer, wenn die mal ’nen guten Lauf haben, dann könnten die Seah…«
»Ich sagte doch, ich bin kein Fan.« Chevy spürte Wut in sich aufsteigen und gab kräftig Gas. Verpiss dich, dachte er. Er musste die Zähne mächtig zusammenbeißen, um die Worte nicht laut auszusprechen. Der Wachmann hatte also bemerkt, dass Chevys Nummernschilder aus Washington stammten. Und sie hatten ein Gespräch geführt, an das er sich durchaus erinnern würde. »Ich interessiere mich nicht für Football. Aber Danke für den Tipp. Ich muss jetzt meine Frau suchen.«
»Na gut. Dann viel Glück.«
Der Wachmann lehnte sich wieder in seinem Sitz zurück und rollte davon, während Chevy losfuhr, um Miss Legs abzufangen. Ihr Auto war rund fünfundvierzig Meter von ihm entfernt. Sie fuhr erst rechts, dann links an den parkenden Autos vorbei. Chevy entdeckte zwei leere Parkplätze, die Kopf an Kopf lagen, und nahm die Abkürzung, um sich den Weg bis zum Ende der Reihe zu sparen. Doch sie war schneller gewesen und näherte sich bereits der Ampel an der Ausfahrt. Mit rasendem Herzen trat er aufs Gaspedal und schoss blitzschnell um die Kurve am Ende der nächsten Reihe, doch plötzlich setzte vor ihm ein Auto aus einer Parklücke zurück. Chevy stieg abrupt auf die Bremse.
Er schlug mit dem Handballen gegen das Lenkrad. »Scheiße!«, rief er und schlug noch fünf Mal darauf. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
Der Gesang setzte wieder ein. Mutters Stimme.
»Halt die Klappe!«
»Chev?«
Jenny. Sie musste Mutters Stimme auch gehört haben. Dieses unablässige Geträller, die banalen Liedtexte, die ihr über die Lippen kamen.
Who killed Cock Robin? I, said the Sparrow, with my bow and arrow …
Chevy hielt die Luft an und versuchte, das Lied aus dem Kopf zu bekommen und sich gleichzeitig um Jenny zu kümmern. Doch er hatte keine Zeit, ihr auf den Beifahrersitz zu helfen. Der Fahrer des Wagens, mit dem er um ein Haar zusammengestoßen wäre, versuchte, seine Karre aus dem Weg zu manövrieren. Chevy hupte heftig und fuhr ein Stück zurück.
»Warte«, sagte er zu Jenny, während er Gas gab.
Miss Legs schaffte es, die Ausfahrt zu nehmen und sich in den Verkehr einzureihen. Chevy riss das Steuer herum und folgte ihr dicht auf den Fersen. Die anderen Fahrer hupten, und ein
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