Puppengrab
alles über mögliche Puppenverkäufe herauszubekommen, die vielleicht von ihrem Ehemann getätigt wurden. Obwohl ich nicht viel Hoffnung darauf setze, denn die Sammlung hätte genauso gut jahrelang auf dem Dachboden aufbewahrt sein können. Was Hammond angeht, so hat seine Frau ein Alibi. Sie war am Mittwoch, als er umkam, den ganzen Tag bei einer Nachbarin.«
Neil nickte. Das Ergebnis überraschte ihn nicht. So schrecklich Hammonds Frau auch war, alle wussten, dass Chevy ihn getötet hatte.
»Fehlt etwas aus seinem Laden?«
»Eine Schrotflinte und eine Zweiundzwanziger. Außerdem ist eine Schublade aufgebrochen worden«, fügte Copeland hinzu. »Das Schloss wurde geknackt. Wir wissen nicht, was sich darin befand.«
»Schalldämpfer?«, spekulierte Harrison. »Deswegen hat niemand in der Kirche den Schuss gehört.«
Neil schloss die Augen. Schusswaffen mit Schalldämpfern. Das rückte alles in ein anderes Licht.
»Hier, die Akten«, sagte Copeland und schob ihm und Rick jeweils eine Mappe zu. »Harrison hat den Namen des Anwalts herausgefunden, der Peggy Bankes’ Testament aufgesetzt hatte. Chevy hat nicht nur das Haus und das Grundstück geerbt. Seine Mutter hatte in einem Nachtrag verfügt, dass Chevy etwas erben soll, das am Flussufer begraben liegt. Er bekam es an seinem einundzwanzigsten Geburtstag.
»Der Tag, an dem er Gloria umgebracht hat«, sagte Neil und richtete sich auf. »Worum handelte es sich?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Copeland. »Doch es wird sich ein Team morgen früh am Flussufer umsehen. Allerdings ist schon viel Zeit vergangen …« Er beugte sich vor und legte die Hände auf den Tisch. »Was ich wissen will, ist Folgendes: Warum jetzt? Bankes ist seit über einem Jahr aus dem Gefängnis entlassen. Was hat ihn dazu gebracht, Hammond jetzt erst zu töten? Wenn er und Hammond etwas verbindet, sagen wir, Hammond wusste etwas aus Bankes’ Kindheit – zum Beispiel über das Verschwinden seiner Schwester –, warum wartet er so lange, bis er Hammond umlegt?«
»Weil Hammonds Tod nichts mit Bankes’ Kindheit zu tun hat«, sagte Neil, während er die Fotos betrachtete, die er vor einigen Stunden an die Magnettafel geheftet hatte. »Es dreht sich um das Jetzt. Irgendwie ist Hammond das Verbindungsstück zwischen all den Vorbereitungen, die Bankes seit Monaten durchgeführt hat, und dem eigentlichen Beginn des Ganzen.«
»Dem Beginn von was?«, fragte Brohaugh.
»Der
chivvy
«, schaltete sich Standlin zustimmend ein. »Das bedeutet Hetzjagd und ist die ursprüngliche Bedeutung von Chevys Namen. Die Journalisten in Seattle haben das als Aufhänger für ihre Artikel verwendet und ihn ›Den Jäger‹ genannt, denn es ist die Jagd, die ihm Freude bereitet, nicht das Töten.« Sie sah, dass Copeland ihr zunickte, und verteilte ihre Notizen, indem sie jeweils einen Papierstapel an alle über den Tisch gleiten ließ. »Wir sind auf zwei weitere ungelöste Fälle gestoßen, in denen Frauen erst verfolgt wurden und anschließend verschwanden. Ich habe den Tag darauf verwandt, mit ihren Familien und den zuständigen Beamten zu sprechen, die mit der Ermittlung der Fälle beauftragt waren.«
Neil richtete sich auf. »Und?«
»Die Taten wurden
nach
dem Mord an Gloria Michaels verübt, aber bevor Bankes nach Seattle gezogen ist. Sie, Sheridan, waren verschwunden, und Anthony Russell war tot. Da die Leichen der beiden Frauen nie gefunden wurden, gab es keinen Anlass, ihre Fälle mit dem Mord an Gloria Michaels in Verbindung zu bringen.«
»Scheißkerl.«
»Man hat tatsächlich sogar eine mögliche Verbindung zwischen Bankes und den Fällen in Betracht gezogen, und zwar während seiner Verhandlung in Seattle, doch der Schuss in Chaneys Rücken schien nicht typisch für das Verhalten eines Sexualstraftäters zu sein. Also konzentrierte sich die Staatsanwaltschaft auf einen Mann, den man ›Den Jäger‹ nannte und der seine Opfer exekutierte.«
Neil starrte ins Leere. Zwei weitere Fälle nach Gloria Michaels? Nachdem Neil Anthony Russell, den vermeintlichen Mörder, gejagt hatte und das Land, seine Familie, einfach alles hinter sich gelassen hatte?
»Wer sind die anderen?«
»Nina Ellstrom. Sie hat in New Jersey gelebt. Ihre Eltern berichten, dass sie Wochen vor ihrem Verschwinden große Angst gehabt hatte. Sie war angerufen worden, und wie bei Beth Denison hatte der Anrufer Dinge gesagt wie ›Fürchtest du dich?‹ oder ›Ich will deine Stimme hören‹, und Ähnliches.«
»Doch
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