Puppengrab
Schulpsychologin hatte damals tatsächlich so etwas angedeutet. Aber der Beweislage nach«, er schüttelte den Kopf, »war es Selbstmord.«
»Schulpsychologin? Könnten wir mit ihr sprechen?«, fragte Rick.
»Ihr Name war«, er kratzte sich an der Nase, »etwas Blumiges, Rose oder Daisy. Nein, Iris. Das ist es. Sie hieß Iris Rhodes. Sie ist als Missionarin auf die Philippinen gegangen, hat die ganze Welt bereist. Ich habe vor fünfzehn Jahren versucht, sie zu erreichen, als ihre Cousine bei einem Autounfall ums Leben kam, doch vergebens.«
Eine Sackgasse, dachte Neil. Er würde die Angaben trotzdem überprüfen.
»Aber es würde sowieso nichts bringen«, behauptete Goodwin. »Chevy hätte ihr bestimmt nichts anvertraut. Er konnte sie nicht leiden.«
»Warum nicht?«
»Bevor Jenny verschwand, hatte Iris die Kinderfürsorge geholt, damit sie untersucht wurde. Iris war der Auffassung, dass nicht richtig für das Baby gesorgt wurde.«
»Und ist die Fürsorge ihrer Pflicht nachgekommen?«
»Ja, und mit Jenny war alles in Ordnung. Ich meine, sie war zwar eine Frühgeburt, ein winziges, kleines Ding, und hat sich nicht so schnell entwickelt wie andere Babys, aber es gab keinen Anlass für die Behörden, sie aus der Familie rauszuholen.«
Neil warf Rick einen Blick zu. Es musste irgendwo Aufzeichnungen über diesen Vorfall geben. »Also, die Familie war irgendwie unheimlich, doch nichts deutete auf Missbrauch oder Gewalt hin.«
Goodwin holte tief Luft, kontrolliert, als wollte er ein Husten vermeiden. »Glauben Sie’s oder nicht, aber Chevy war ein normaler Junge. Ein recht guter Schüler und ein ruhiges Kind. Als Jenny verschwand, war er am Boden zerstört.«
»Was ist Ihrer Meinung nach mit ihr geschehen?«
Goodwin überlegte. »Das werden wir wohl nie erfahren.«
»Okay«, sagte Neil dann, obwohl der Frust an ihm nagte. »Eine Frage noch: Könnten Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum es Chevy nach all den Jahren auf Mo Hammond abgesehen haben sollte?«
Die Augen des Sheriffs verengten sich für den Bruchteil einer Sekunde. Mehr brauchte es nicht. »Ist Mo etwas zugestoßen?«
»Äh … er wurde auf seinem Schießstand erschossen.«
»O Gott.« Goodwin fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, dann blickte er zu ihnen hoch. »Wenn Mo Hammond ermordet wurde, dann würde ich nach jemand anderem Ausschau halten als nach Chevy.«
»Nach wem?«
»Haben Sie schon Mos Frau kennengelernt?«
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29
C opeland wartete mit dem Gruppenmeeting, bis Rick und Neil wieder zurück waren. Als sie den Raum betraten, empfing sie der schale Geruch von Hamburgern und Pommes.
»Es wurde auch Zeit«, sagte Copeland. »Haben Sie die Sachen?«
Neil gab ihm die Bankes’sche Familienbibel und eine der Quittungen. Nach dem Gespräch mit Goodwin hatte er Copeland angerufen und war aus einem Verdacht heraus noch einmal zum Haus zurückgefahren.
Copeland schlug die Bibel auf. »Berichten Sie«, sagte er und nickte in Richtung der Anwesenden. Bis auf Juan Suarez und Lexi Carter waren alle da. Doch bis zum Abend würden sie vollzählig sein. Das hier war kein Spaziergang mehr.
Neil setzte sich. »Der Sheriff, der damals mit Jennys Verschwinden befasst war, sagt, dass es ein Gerücht gab, Chevy hätte noch ein älteres Geschwisterkind gehabt. Die erste Seite der Familienbibel wurde herausgerissen. Ich denke, das Labor sollte sich die folgenden Seiten ansehen, ob es Abdrücke von dem gibt, was auf die erste Seite geschrieben wurde.«
»Was ist mit dieser Quittung?«, fragte Copeland, der sie gerade betrachtete.
»Sie lag in einer Küchenschublade und wurde für den Kauf von Windeln ausgestellt. Die Tinte ist verblasst, daher konnte ich das Datum nicht entziffern, aber sie war zusammen mit einer Benzinquittung gefaltet, und die stammte aus dem Jahr 1976 . Das Datum habe ich mir leicht gemerkt, weil das Benzin damals nur neunundfünfzig Cent die Gallone gekostet hat.«
Harrison runzelte die Stirn. » 1976 , das ist zwei Jahre …«
»Bevor Chevy auf die Welt kam«, brachte Neil den Satz zu Ende. »Wenn die Windelquittung also aus demselben Zeitraum stammt …« Er beendete den Satz mit einem Schulterzucken.
»Gibt es etwas Neues von Chadburne?«, fragte Rick.
»Noch nicht«, erwiderte Copeland. »Sie fährt kein Auto, daher besitzt sie auch keinen Führerschein. In Boise wird gerade überprüft, ob es Verwandte oder Freunde gibt, die vielleicht ein Foto von ihr haben. Und ich habe ein paar Leute darauf angesetzt,
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