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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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drehte sich zum Polier um. »Haben Sie die Brüste der Toten bemerkt?« erkundigte er sich. Aber der Polier schüttelte nur den Kopf. Es hatte ihm die Sprache verschlagen.
    »Wir haben also eine wohlgenährte Frau . .. Wie alt, würden Sie sagen?«
    Barney kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Nicht alt«, sagte er schließlich, »bestimmt nicht alt.«
    »In den Zwanzigern?«
    »Könnte sein.«
    »In den Dreißigern?«
    Barney zuckte die Achseln. Da war was, was er sich ins Gedächtnis zurückrufen wollte. Etwas, was ihm vorhin komisch vorgekommen war.
    »Aber bestimmt nicht in den Vierzigern?«
    »Nein«, sagte Barney. »Jünger.« Er sagte es ziemlich zögernd.
    »Sie sind nicht sehr präzise«, sagte Inspektor Flint.
    »Ich kann's nicht ändern«, sagte Barney kläglich. »Man sieht eine Frau in einem mistigen tiefen Loch unten, und Beton patscht auf sie runter, da fragt man sie nicht nach ihrem Alter.«
    »Ganz recht. Das ist mir klar, aber wenn Sie sich einfach mal besinnen könnten. Hatte sie irgend was Besonderes an sich. . .«
    -»Besonderes? Na ja, da war diese Hand, nich ... «
    Inspektor Flint seufzte. »Ich meine irgend etwas Ungewöhnliches an ihrem Äußeren. Ihre Haare zum Beispiel. Welche Farbe hatten sie?«
    Barney hatte es. »Ich wußte doch, daß irgendwas war«, sagte er triumphierend. »Ihre Haare. Die waren ganz schief.«
    »Nun, das ist wohl klar, nicht wahr? Man wirft eine Frau nicht in ein zehn Meter tiefes Bohrloch, ohne ihr Haar dabei durcheinanderzubringen.«
    »Nein, so sah's nicht aus. Es hing auf der Seite und war plattgedrückt. Als war sie geschlagen worden.«
    »Wahrscheinlich ist sie geschlagen worden. Wenn das stimmt, daß die Holzabdeckung an ihrem Platz war, wie Sie sagen, dann ist sie nicht aus eigenem Entschluß da runtergegangen. Aber Sie können immer noch keine genaue Angabe über ihr Alter machen?«
    »Tja«, sagte Barney, »an manchen Stellen sah sie jung aus und an manchen nicht. Das ist alles, was ich weiß.«
    »An welchen Stellen ?« fragte der Inspektor und hoffte zum Himmel, Barney finge nicht wieder von dieser Hand an.
    »Tja, ihre Beine paßten nicht richtig zu ihren Titten, wenn sie verstehen, was ich meine.« Inspektor Flint verstand nicht. »Sie waren ganz dünn und wie zusammengekrumpelt.«
    »Was denn? Ihre Beine oder ihre Titten?«
    »Ihre Beine natürlich«, sagte Barney. »Ich habe Ihnen doch gesagt, sie hatte so herrliche große . . .«
    »Wir behandeln das als Mordfall«, sagte Inspektor Flint zehn Minuten später zum Direktor. Der Direktor saß hinter seinem Schreibtisch und dachte verzweifelt über die ungünstige Wirkung in der Öffentlichkeit nach.
    »Sie sind absolut überzeugt, daß es kein Unfall war?«
    »Die feststellbaren Anzeichen lassen bestimmt auf keinen Unfalltod schließen«, sagte der Inspektor, »aber wir werden in diesem Punkt erst absolut sicher sein, wenn es uns gelingt, an die Leiche heranzukommen, und das wird, fürchte ich, einige Zeit dauern.«
    »Zeit?« sagte der Direktor. »Wollen Sie damit sagen, Sie können sie nicht heute morgen herausholen?«
    Inspektor Flint schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen, Sir«, sagte er. »Wir fassen zwei Möglichkeiten ins Auge, an die Leiche heranzukommen, und für beide brauchen wir mehrere Tage. Die eine ist, uns durch den Beton zu ihr durchzubohren, und die andere, ein zweites Loch neben dem ursprünglichen zu bohren, und von der Seite an sie heranzukommen.«
    »Großer Gott«, sagte der Direktor und sah auf seinen Kalender, »aber das heißt ja, daß Sie dort draußen mehrere Tage ununterbrochen zu graben haben.«
    »Ich fürchte, das ist nicht zu ändern. Wer sie auch dort hinuntergetan hat, er hat ordentliche Arbeit geleistet. Wir werden trotzdem versuchen, so diskret wie möglich vorzugehen.«
    Durchs Fenster konnte der Direktor vier Polizeiautos, einen Feuerwehrwagen und einen großen blauen Lieferwagen sehen, »Das ist ja wirklich äußerst bedauernswert«, murmelte er.
    »Das ist Mord immer«, sagte der Inspektor und erhob sich. »Das liegt in der Natur der Sache. Inzwischen riegeln wir die Baustelle ab und wären Ihnen dankbar für Ihre Mitarbeit.«
    »Selbstverständlich gern«, sagte der Direktor und seufzte.
    Im Lehrerzimmer rief die Anwesenheit so vieler Uniformierter, die in ein Bohrloch guckten, unterschiedliche Reaktionen hervor. Dasselbe tat das Dutzend Polizisten, die die Baustelle absuchten und hin und wieder stehenblieben, um irgendwas vorsichtig in Umschläge zu stecken.

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