Puppenrache
Taschen, trat von einem Fuß auf den anderen. Und jetzt? Was sollte sie tun?
»Quatschen? Über was denn?«, fragte sie und hoffte, dass ihre Unfreundlichkeit ihn abschreckte.
Er kratzte sich wieder am Nacken. »Na ja, über… über Musik vielleicht?«
»Musik?« Eine bessere Erwiderung fiel ihr nicht ein. Sollte sie nicht einfach Nein…
»Wie wär’s mit… kennst du das Weathervane?«, kam er ihr zuvor. »Ist gleich hier links.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter.
Die Kneipe war ihr schon aufgefallen, gestern um die Zeit war sie ziemlich voll gewesen. Sara bemerkte ein merkwürdiges Ziehen in ihrem Bauch. Sehnsucht? Freude? Ein Bedürfnis nach menschlicher Nähe? Unauffällig tastete sie in der Jackentasche nach dem Handy. Sie musste nur zwei Tasten drücken und Tim wäre dran. Ihr Verstand sagte ihr zwar, dass sie sich eigentlich entschuldigen und ins Apartment gehen sollte. Aber die Vorstellung, dort wieder allein vor dem Fernsehen zu sitzen und einen weiteren einsamen, öden Abend zu verbringen, deprimierte sie. »Okay«, sagte sie also, »gehn wir.«
16
Das Weathervane war ein Pub mit dunkel gebeizten Tischen und einer langen Bar, die voll besetzt war. Dort saßen Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen, direkt vom Büro auf ein Bier gekommen, aber auch ein paar Arbeiter in ihren Overalls standen herum, in lautstarke Gespräche vertieft, und gleich neben der Tür bog sich eine Gruppe Frauen vor Lachen.
Chris bestellte zwei Cola bei der Bedienung, einer Frau um die fünfzig, die Sara an ihre ehemalige Mathelehrerin erinnerte. Sie war genauso hager gewesen und hatte denselben strengen Zug um den Mund gehabt. Sara hatte bei ihr nur schlechte Zensuren geschrieben. Damals waren das noch ihre größten Sorgen gewesen – Schulnoten…
Sara verschränkte die Arme über der Brust und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Seit dem Abend mit Stephen und seinen Freunden war sie nicht mehr in einer Bar gewesen. Stephen… Der Gedanke an ihn versetzte ihr einen Stich ins Herz.
»Ist die Musik okay?«, fragte er. »Alternative Country. Nicht jedermanns Geschmack. Spielen sie aber nicht immer.«
»Ist okay.« Sie nahm einen Schluck Cola.
»Gretchen Wilson – ihre Mutter war erst sechzehn, als sie sie bekam«, erklärte er. »Also, die Sängerin, mein ich«, fügte er noch hinzu, als er ihren irritierten Blick bemerkte.
Als ob sie das interessierte. Aber er gab sich immerhin Mühe.
»Du bist neu hier, oder? Ich meine in Melbourne.«
»Sieht man mir das an?« Fragen nach ihrer Herkunft machten sie sofort argwöhnisch.
Lachend schüttelte er den Kopf. »Ich hab geblufft.«
»Ach so.« Ihre Hände spielten mit dem beschlagenen Glas, in dem die Eiswürfel klirrten.
»Bist du hierher gezogen?«, fragte er weiter.
»Erst mal, ja.«
»Dann bleibst du erst mal hier, oder?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Mal sehen.«
»Mal sehen heißt, ob’s dir gut genug gefällt?«
»Ja. Und du?« Die Fragerei ging ihr auf die Nerven.
Sein Handy in seiner Sportjacke klingelte. »Sorry«, murmelte er und hielt es sich ans Ohr.
»Was gibt’s? – Nee, kann ich nicht – was?« Sein Blick streifte sie. »Ja, sie ist hier –, ja – was? Nein, mach ich nicht!«, sagte er und legte auf.
Sara war vor Schreck erstarrt. »Mit wem hast du da gerade…«
»Mit einem Freund, warum?«
»Du hast über mich gesprochen!«
»Was?« Eine Falte zwischen seinen Augen, die ihr bisher gar nicht aufgefallen war, vertiefte sich. Sie tastete in ihrer Jackentasche nach dem Handy. Nur zwei Knopfdrücke… »Sie ist hier, hast du gerade gesagt!« Ihre Stimme klang schrill.
Völlig irritiert sah er sie an, dann musste er lachen. »Aber damit hab ich doch nicht dich gemeint!«
»So, wen hast du denn dann gemeint?« Sie würde gleich aufstehen. Was für eine bescheuerte Idee, mit diesem Typen ins Pub zu gehen!
Er schüttelte den Kopf, streckte den Arm aus. »Dahinten«, sie drehte sich um. »Siehst du das Mädchen mit den braunen Haaren und der weißen Bluse? Das ist Gina. Die Exfreundin von ’nem Kumpel. Er wollte wissen, ob sie schon einen neuen Freund hat – oder ob er’s vielleicht noch mal versuchen kann.« Sein Lächeln war etwas schief. »Ehrlich.«
Wie peinlich, dachte sie und trank hastig einen Schluck Cola. Für wie blöd musste er sie denn halten…
Eine Weile redeten sie nichts. Sein Blick schweifte durch die Bar und sie musterte ihn so unauffällig wie möglich.
Auf einmal kreuzten sich ihre Blicke, sie
Weitere Kostenlose Bücher