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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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schnell es jetzt dunkel wurde. Zum Glück lag der Supermarkt nicht abseits, sondern an einer belebten Straße mitten in der Stadt. Und Laternen brannten auch. Allerdings nur wenige, die meisten auf dem Parkplatz waren kaputt. Na ja, dachte sie, es ist ja nicht weit. Und stockdunkel ist es auch noch nicht. Sie ging über den Parkplatz direkt zur Straßenbahnhaltestelle.
    Langsam wachte sie aus der Betäubung auf, in die die Arbeit sie versetzt hatte. Wie viele Waren hatte sie heute wohl in der Hand gehabt? Dreitausend? Fünftausend? Jedenfalls genug, um sie müde zu machen. Und genug, um ihre Gedanken zu betäuben. Während sie gearbeitet hatte, war die Zeit nur so verflogen. Doch nun wartete ein langer, einsamer Abend auf sie.
    Sie hielt nach der Straßenbahn Ausschau. Laut Fahrplan müsste sie in wenigen Minuten da sein, aber Straßenbahnen und Busse fuhren nur selten nach Fahrplan, das hatte sie schon in Sydney gemerkt. Inzwischen drängten sich immer mehr Fahrgäste an der Haltestelle unter das Plexiglasdach. Zwei ältere Frauen saßen auf der Bank, ihre Einkaufstüten hatten sie auf dem Schoß abgestellt. Eine von ihnen hatte vorhin bei ihr an der Kasse bezahlt. Sara konnte sich alle Gesichter merken, die sie während eines Tages sah, und auch die alte Dame schien sie wiederzuerkennen, denn sie lächelte Sara freundlich zu. Neben ihr hatte gerade eine Mutter mit kleinem Kind Platz genommen. Ein Mann im Anzug telefonierte und ein jüngerer drehte an seinem iPod, in seinen Ohren steckten Kopfhörer.
    Sara dachte an Stephen. Wenn sie mit seinem Bus zum Surfen unterwegs waren, hatte er immer zuerst die Anlage aufgedreht. Sie versuchte, sich an die Musik zu erinnern, aber da kam die Straßenbahn vor ihr mit einem schrillen Quietschen zum Stehen. Sie stieg vorne ein und kaufte einen Fahrschein. Am nächsten Ersten würde sie sich eine Monatskarte besorgen. So, wie alle, die einen normalen Job hatten. Sie setzte sich ans Fenster.
    Der junge Typ mit dem iPod setzte sich neben sie, ohne Notiz von ihr zu nehmen. Er las in einer Musikzeitschrift, was sie beruhigte. Sie blickte sich rasch um. Er hätte sich nur noch auf zwei freie Plätze setzen können. Beruhig dich, sagte sie zu sich. Er verfolgt dich nicht. Er ist ein ganz normaler Typ mit braunen Haaren, Sneakers, Jeans und kariertem Hemd. Er sieht weder gefährlich noch schräg aus, eher sogar ein bisschen langweilig und nett.
    Sie sah zum Fenster hinaus. Stundenlang könnte sie so durch die Stadt fahren, anstatt nach Hause. Nach Hause, das sagte man so einfach… Für sie war es nicht mehr als eine leere Worthülse.
    Vor ihrer Haltestelle erhob sie sich, worauf der junge Typ von seiner Zeitschrift aufblickte. »Ich muss aussteigen«, sagte sie.
    Er sah sich um. »Oh, ich auch«, lächelte er und klappte die Zeitschrift zu, ehe er aufstand und im Wagen nach vorne lief.
    Sie stand hinter ihm an der Tür. Ist es Zufall, dass er neben mir sitzt und mit mir ein und aus steigt? Hör auf!, sagte sie sich. Wenn sie doch nur einmal diese Gedanken abstellen könnte, dachte sie genervt. Aber es half nichts. Es war wie ein Verhaltensmuster, das sich ihr eingraviert hatte. Wahrscheinlich würde sie es nie wieder loswerden.
    Die Tür öffnete sich. Er stieg zuerst aus und ging zielstrebig nach links, ohne sich zu ihr umzudrehen. Erleichtert wandte sie sich nach rechts. Bevor sie nach links in ihre Straße einbog, vergewisserte sie sich, dass er ihr nicht doch gefolgt war. Nein. Nichts. Niemand. Natürlich nicht. Sie atmete auf. Wieso hätte er sie auch verfolgen sollen?
    Zum Hauseingang führte ein kurzer, gerader, mit Waschbetonplatten belegter Weg, den man über den Rasen und an niedrigen Büschen vorbei angelegt hatte. Hier stand keine Laterne, nur über der Haustür brannte ein Licht, das einen kleinen Halbkreis auf den Boden warf.
    Schon in der Straßenbahn hatte sie den Schlüssel aus der Tasche genommen. Jetzt steckte sie ihn ins Schloss und öffnete die Tür. Der Geruch im Treppenhaus hatte sich seit gestern kaum verändert. Er schien zum Haus zu gehören. Sie versuchte, durch den Mund zu atmen, als sie durchs Treppenhaus in den zweiten Stock hinaufstieg. Als sie vor ihrer Tür stand, fiel ihr wieder auf, wie still es im Haus war. Keine Geräusche von Fernsehern, kein Geschirrklappern, keine Schritte, keine Stimmen. Irgendwie unheimlich. Aber Tim hatte ja gesagt, dass die Wohnungen bis auf zwei vermietet waren. Darüber muss ich mir nicht auch noch Gedanken machen, sagte sie

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