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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Leben war so ausweglos.
    »Kannst du dableiben?«, bat sie ihn. »Ich hab solche Angst.«
    Er nickte. »Ich schlafe auf der Couch. Ich muss nur noch kurz telefonieren. Und dann mach ich dir einen Tee, ja? Deine Hände sind ganz kalt.«
    Widerwillig ließ sie seine Hand los. Er stand auf und ging in die Küche. Bestimmt ruft er seine Frau an, dachte sie, und sagt ihr, dass er nicht nach Hause kommt. Und die ist sauer. Und das alles wegen mir.
    »Es tut mir leid«, sagte sie zu ihm, als er aus der Küche zurückkam.
    »Das muss es nicht.« Er reichte ihr einen Becher mit heißem Tee. »Wirklich nicht, es ist mein Job.« Er lächelte und für einen Moment sah sein Lächeln aus wie das von Stephen. Aber nur für einen Moment.
    »Aber deine Frau – sie ist dann allein.«
    »Das muss sie aushalten.«
    »Weiß sie, warum du bei mir bist?«
    »Du weißt doch, dass ich niemandem etwas von dem erzählen darf, was ich tue. Auch ihr nicht.«
    Er lehnte sich an die Wand. Er setzt sich nicht mehr neben mich, dachte Sara. Er hält nicht mehr meine Hand.
    »Kannst du das? Alles für dich behalten?« Ihre Hände umklammerten den heißen Becher. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie kalt sie waren. »Da ist immer diese Wand, diese dicke Wand zwischen mir und den anderen.«
    »Man lernt, damit zu leben«, sagte er nachdenklich. Dann sah er auf die Uhr. »Es ist schon spät. Wenn du ins Bett gehst, schlafe ich hier auf der Couch.«
    »Ich würde gern noch fernsehen.« Der Gedanke, gleich wehrlos ihren Träumen ausgeliefert zu sein, war schrecklich.
    »Hast du eine DVD gefunden?«, fragte er.
    »Nein, aber ich würde gern… was Lustiges sehen.«
    »Okay, schauen wir den Stapel mal durch.« Er hockte sich neben den Fernseher und begann, den Stapel DVDs durchzublättern.
    »Wie wär’s mit… romantischer Komödie?« Er schwenkte eine Hülle.
    »Ja! Super!« Sie würde mit ihm fernsehen… Er war nett. Und er war der Einzige, der die Wahrheit wusste.
    Er legte die DVD ein. Sie rückte auf der Couch ein wenig zur Seite, damit er sich neben sie setzen könnte.
    »Bitte.« Er reichte ihr die Fernbedienung.
    »Aber… siehst du nicht mit…«
    »Ich versuch, ein bisschen zu schlafen, ich streck mich auf dem Sessel aus.«
    Aber sie wollte doch nur mit ihm fernsehen. Seine Nähe spüren. Sich nicht ganz so verloren fühlen…
    »Nein, du kannst hier auf die Couch.« Sie schaltete den Fernseher aus und erhob sich. »Ich glaube, ich geh ins Bett.«
    »Kein Film?«
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich zusammenzureißen, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    »Okay. Ich hole mir eine Wolldecke aus dem Schlafzimmer.«
    Sie wollte ihn umarmen, neben ihm einschlafen… aber das ging ja nicht. Er ist verheiratet, hat eine Frau. Was soll er mit mir?, dachte sie und fragte sich, ob sie nun völlig den Verstand verloren hatte. Und außerdem… außerdem weiß er zu viel über mich. Schreckliche Sachen. Ich bin für ihn bloß das Opfer, das er beschützen muss. Dafür zahlen sie ihm sein Gehalt. Mit dem er seine Wohnung oder sein Haus bezahlt, in dem er mit seiner Frau wohnt. Genau so ist es.
    Sie ging in die Küche, hantierte am Kühlschrank herum, um ihm nicht in die Augen sehen – und um nicht an einen Gutenachtkuss denken zu müssen.
    »Solange wir ihn nicht haben, solltest du hierbleiben«, hörte sie ihn sagen. »Falls du das nicht tust, solltest du wenigstens jede Routine vermeiden.«
    Sie drehte sich um. Er stand mit Decke und Kopfkissen unter dem Arm an der Küchentheke. »Nie mit dem gleichen Bus fahren, nie zur selben Zeit aus dem Haus gehen…« Er lächelte aufmunternd, »es ist ja nur für kurze Zeit, die Polizei geht gerade allen Hinweisen aus der Bevölkerung nach, und sobald wir ihn haben, kannst du wieder normal leben.«
    Normal. Für sie gab es kein »normal«.
    »Ja, klar«, sagte sie und wandte sich ab, »gute Nacht dann.«
    »Gute Nacht.«
    Sie ging ins Bett, zog sich aus. Als sie durch den Türspalt beobachtete, wie er sich auf der Couch ausstreckte und die Decke über sich breitete, spürte sie ein Ziehen in den Augen, und zwei Tränen tropften aufs Kopfkissen.
    Chris stand da und sah ihr nach, wie sie in der Straße verschwand, dann eilte er ihr hinterher und verbarg sich im Schatten der über den Gehsteig hängenden Zweige. Er beobachtete sie, wie sie in den Gartenweg einbog, der zu einem beleuchteten Mehrfamilienhaus führte. Eine schmale Mondsichel tauchte hin und wieder zwischen den vorbeiziehenden Wolken

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