Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
Misstrauen.
»Ich bin von der Polizei«, sagte Rebus.
»Wir haben nichts verbrochen.«
»Schön für euch.«
Der Junge trat mit voller Kraft gegen den Ball, der einem der beiden anderen Spieler gegen den Oberschenkel klatschte, was wiederum der dritte irrsinnig witzig fand.
»Kannst du mir vielleicht was über die Serieneinbrüche erzählen, die es hier vor einiger Zeit gegeben hat?«
Der Junge sah ihn an. »Sie können mich mal«, sagte er.
»Aber gerne, junger Mann. Wo soll ich anfangen?« Der Junge gab sich Mühe, verächtlich zu grinsen. »Oder hast du zufällig 'ne Ahnung, wer die Kirchentür beschmiert hat?«
»Nein«, sagte der Junge.
»Nein?« Rebus klang überrascht. »Okay, letzter Versuch: Was hat es mit dem kleinen Sarg auf sich, der oben am Wasserfall aufgetaucht ist?«
»Was soll damit sein?«
»Habt ihr das Ding zufällig gesehen?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Sag ihm, er soll sich verpissen, Chick«, riet ihm einer seiner Freunde.
»Chick?«, sagte Rebus, damit der Junge wusste, dass er sich seinen Namen gemerkt hatte.
»Ich hab den Sarg nie gesehen«, sagte Chick. »Ich würde doch nicht zu der ins Haus gehen.«
»Und wieso nicht?«
»Ach, die ist doch nicht ganz dicht.« Chick lachte.
»Was soll das heißen - nicht ganz dicht?«
Chick verlor allmählich die Geduld. Ganz gegen seinen Willen hatte er sich auf ein Gespräch eingelassen. »Nicht ganz dicht halt - wie alle Leute drüben im Ort.«
»Arrogante Scheißer«, kam ihm sein Kumpel zur Hilfe. »Komm, wir hauen ab, Chick.« Die beiden rannten davon und sammelten unterwegs noch den dritten Jungen und den Ball ein. Rebus sah ihnen noch ein paar Sekunden hinterher, doch Chick drehte sich nicht um. Als er zum Wagen zurückkam, sah er dass Jean das Fenster heruntergedreht hatte.
»Na gut«, sagte er, »ich bin wohl nicht gerade der ideale Gesprächspartner für Schulkinder.«
Sie lächelte. »Und wieso waren die so aufgebracht?« Rebus ließ den Wagen an und sah sie an. »Weil sie die zugeknöpften Schlipsträger drüben im Ort nicht leiden können.« Spät an diesem Sonntagabend stand Rebus wieder unten vor Philippa Balfours Wohnung auf dem Trottoir. Obwohl er den Schlüsselbund bei sich trug, verzichtete er in Anbetracht des Ärgers, den er durch seinen letzten Besuch verursacht hatte, lieber darauf, Gebrauch davon zu machen. Jemand hatte oben im Salon und im Schlafzimmer die Jalousien heruntergelassen, sodass die Wohnung hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen schien.
Inzwischen war seit Philippas Verschwinden eine ganze Woche vergangen, deshalb hatte die Polizei beschlossen, die Situation an dem fraglichen Abend so realistisch wie möglich nachzustellen. Also hatte sich eine junge Polizeibeamtin, die eine flüchtige Ähnlichkeit mit der vermissten Studentin aufwies, ein ähnliches Versace-T-Shirt übergestreift, wie das, was Flip am Abend ihres Verschwindens angeblich getragen hatte. Die junge Frau sollte von den Pressefotografen zunächst dabei abgelichtet werden, wie sie die Wohnung verließ. Anschließend sollte sie zügig bis zum Ende der Straße gehen und dort in ein bereitstehendes Taxi einsteigen. Kurz darauf - so das Szenario - sollte sie dann wieder aus dem Taxi aussteigen und hügelaufwärts Richtung Stadtzentrum marschieren. Auf der gesamten Strecke waren Fotografen und uniformierte Beamte im Einsatz, wobei die Polizisten dafür zuständig waren, Fußgänger und Autofahrer aufzuhalten und zu befragen. Auf diese Weise sollte die junge Polizistin die gesamte Strecke bis zu der Bar auf der South Side zurücklegen...
Zwei Fernsehteams - ein schottisches und eines von der BBC - standen bereit, um die Inszenierung aufzuzeichnen. Abends sollten dann kurze Ausschnitte davon in den Nachrichten gezeigt werden.
Die Inszenierung hatte den Zweck zu beweisen, dass die Polizei aktiv war.
Das war aber auch alles.
Gill Templer, die auf der anderen Straßenseite stand, sah Rebus an und bekundete durch ein Achselzucken, dass sie ebenso dachte. Dann setzte sie ihr Gespräch mit dem stellvertretenden Polizeipräsidenten Colin Carswell fort. Offenbar hatte der Vize ihr einiges mitzuteilen. Rebus zweifelte nicht daran, dass dabei mindestens einmal von »schnellen Fahndungserfolgen« die Rede sein würde. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Gill Templer, wenn sie so nervös war, gerne mit der Perlenkette herumspielte, die sie manchmal trug. Und tatsächlich machte sie sich auch jetzt mit den Fingern daran zu schaffen.
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