Puppenspiele
mit seiner aus München an.
Es war gegen acht Uhr abends, als Christian das schicke Sterne-Restaurant betrat, in dem Clarissa Wedekind laut Aussage ihrer Assistentin Tanja Sowieso mit wichtigen Geschäftspartnern dinierte, und »garantiert nicht« gestört werden wollte. Christian war das vollkommen schnuppe. Es gab immer noch keine Nachrichten von Karen. Am Eingang des Restaurants wurde er von einem Kellner im Smoking aufgehalten, der ihn dezent auf das Fehlen einer Krawatte hinwies. Ohne jegliche Dezenz schob Christian den Smoking beiseite. Er ging energischen Schrittes zu der langen, mit acht Männern besetzten Tafel, an deren Kopfende Clarissa Wedekind thronte. Sie sah ihn erst, als er direkt neben ihr stand: »Frau Wedekind, wir müssen reden. Jetzt!«
Blasiert blickte sie hoch zu ihm: »Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin. Lassen Sie sich einen Termin von meiner Assistentin geben.«
»Die Angelegenheit duldet keinen Aufschub. Also bewegen Sie bitte Ihren Hintern und …«
Neben Christian erhob sich ein älterer Herr von seinem Polsterstuhl, der sich offensichtlich als Beschützer und Alphatier aufspielen wollte: »Mein Name ist Rüdiger Roth. Ich bin der Vorstandsvorsitzende von ›Aglaia‹, und ich muss Sie doch dringlich auffordern …«
»Von mir aus können Sie Papst oder Weltkanzler sein, halten Sie Ihre Klappe!«
Roth schnappte nach Luft und setzte sich wieder.
Christian nickte durch die große Fensterscheibe nach draußen. Eine Frau kam herein.
»Evelyn!« Clarissa Wedekind war völlig perplex.
Evelyn Kopper sah ihre Schwester kalt an: »Ich will nur eins von dir wissen, Clarissa! Was hast du mit der Ermordung meiner Sarah zu schaffen?«
Clarissa spürte die Augen aller auf sich ruhen. Einen Skandal konnte sie nicht gebrauchen. Schon gar nicht hier und jetzt.
Während Christian seine Ungeduld mühsam zügelte, verlor Evelyn Kopper die Nerven und fing an zu schreien: »Sag mir die Wahrheit!«
Clarissa erhob sich und zerrte ihre Schwester beiseite. Sie drückte ihr einen Schlüsselbund in die Hand. »Bist du verrückt geworden? Halt den Mund! Du fährst jetzt in meine Wohnung. Ich bin in einer Stunde bei dir. Tu, was ich dir sage. Bitte!«
»Sie haben zwei Sekunden, mehr nicht. Wir warten mit dem Taxi vor der Tür.« Christian nahm Evelyn Kopper am Oberarm und zog sie sanft, aber bestimmt von Clarissa weg. Es war ganz offensichtlich eine gute Idee gewesen, bei Wedekind Druck über Sarahs Mutter aufzubauen. Er allein hätte sie nicht so schnell aus ihrer Honoratiorenrunde herauslösen können. Nicht ohne Gewalt.
Noch im Hinausgehen hörte er, wie sich Clarissa entschuldigend an die Anzugträger wandte: »Verzeihen Sie die rüde Unterbrechung. Meiner Schwester wurde vor einem knappen halben Jahr auf grausame Weise die Tochter entrissen, meine geliebte Nichte. Sie werden hoffentlich Verständnis dafür haben, wenn ich mich jetzt verabschieden muss, um mich um meine … wie Sie sehen konnten, emotional etwas instabile Schwester zu kümmern. Manchmal geht Familie vor Geschäft.«
Auch Evelyn Kopper hatte Clarissas Worte im Hinausgehen noch vernommen. »Wenn diese verlogene Schlampe etwas mit Sarahs Tod zu tun hat, bringe ich sie eigenhändig um.«
Christian kam auf ähnlich illegale Ideen, wenn er an die Gefahr dachte, in der Karen schwebte. Die Zeit raste. Sandrine Lacour war an einem Freitagabend verschwunden und samstags schon tot. Christian hatte schon zig Mal in Hamburg angerufen. Dabei wusste er wohl, dass er seine Kollegen damit mehr nervte als unterstützte. Die Hamburger Polizei hatte inzwischen den Benz sichergestellt. Er war im Norden Hamburgs verlassen aufgefunden worden. Nun durchkämmten Suchmannschaften die Gegend nach Hinterhöfen, Gartenhäuschen und Ähnlichem. Christian bezweifelte allerdings, dass Niklas Schmitt sich mit Karen noch dort aufhielt. Sicher hatte er nur den Fluchtwagen gewechselt und befand sich längst woanders. Daniel klinkte sich mit Feuereifer in die Server aller Hamburger Mitwohnzentralen und Anbieter von möblierten Wohnungen für Kurzfristmieten ein. Er hatte sich sogar Hilfe von zwei befreundeten Hackern geholt, die eine Polizeidienststelle normalerweise nur als vorläufig Festgenommene betraten. Anna saß neben den dreien und ging die gehackten Listen nach einschlägigen Decknamen durch. Bislang nichts.
Bei ihrem letzten Telefonat hatte Anna versucht, Christian zu beruhigen. Er hörte dabei nur allzu deutlich, wie ihre Stimme zitterte. Dennoch
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