Puppenspiele
ein Mädchen, das glaubte, die Welt im Griff zu haben. Bis sie auf einen jungen Mann trifft.
He had a bullet proof smile, he had money to burn
She thought she had the moon in her pocket
But now she’s dead, she’s so dead
Forever dead and lovely now
Die Letzte war ihm gut gelungen. Fast perfekt. Nach seiner Umformung sah sie endlich wahrhaftig aus. Er hatte ihr wahre Schönheit gegeben. Seine Schönheit. Er hatte sie ihr gezeigt. Doch sie wollte es nicht sehen. Deswegen der Spiegel. Als Unterstützung. Was er an den Menschen am meisten hasste, war ihre Tendenz zu leugnen. Er hatte gedacht – er hatte gehofft –, die von seinem Schlag, die müssten doch anders sein. Wissend. Sehend. Oder wenn sie unwissend waren und er ihnen die Wahrheit brachte, dann müssten sie froh sein. Dankbar. Zuerst irritiert. Gewiss, das war er ja auch gewesen, damals. Aber letztlich: froh. Es galt nur einen Schritt zu machen, einen kleinen Schritt. Grenzen waren dazu da, dass man sie ignorierte. Übertrat. Um sich grenzenlos zu fühlen – frei. Freiheit war Größe. Größe war Macht. Macht war alles. Warum verstanden sie das nicht? Wo sie doch angeblich so intelligent waren. So besonders. Aber sie waren undankbar. Dumm. Gewöhnlich. Das war das Schlimmste. Dass sie nicht waren wie er. Er war ungewöhnlich. Zufrieden summte er den Songtext mit: But now she’s dead, forever dead, forever dead and lovely now …
Natürlich war es mal wieder eine aufwendige und vor allem gänzlich unnötige Spielerei gewesen, die Kiste zu zimmern und das Gesamtpaket an eine schräge Adresse zu schicken. Aber diesen kleinen Spaß wollte er sich gönnen. Wenn es denn wirklich nur reiner Sarkasmus war. Er musste aufpassen. Niklas überprüfte sich selbst immer und immer wieder. Kontrolle war das Wichtigste. Denn Fehler waren nicht nur lächerlich. Sie waren gefährlich. Nachdem er sein Werkzeug sicher und sauber verstaut hatte, ging er ins Wohnzimmer und legte sich aufs Sofa. Kein Licht, kein Fernseher störten seine Konzentration. Nur leise Musik. Die rostige Stimme von Tom Waits, die ihn entspannte und gleichzeitig bündelte.
Er musste alles noch einmal durchgehen. Sein Bedürfnis, die Leichen in einem sinnfälligen Kontext zur Schau zu stellen, durfte ihn nicht unvorsichtig werden lassen. Einige waren schon erwischt worden, weil sie das Licht der Öffentlichkeit suchten, Kontakt zu ihren Jägern aufnahmen, und Nachrichten hinterließen, die auf ihre Fährte führten. Eitelkeit. Eine der sieben Todsünden. Er durfte in diese Falle nicht tappen.
Niklas dachte an den gestrigen Abend. Er war zum Bebildern seiner düsteren Gedanken nach Luxemburg Stadt gefahren und in eine Diskothek gegangen. Es war wie immer, wenn er in Bars oder Diskotheken ging. Er stellte sich an den Tresen, orderte einen Drink und ließ träge seinen Blick schweifen. Die Frauen sahen ihn an. Egal, ob sie in männlicher Begleitung waren oder nicht. Einige sahen ihn verstohlen an, andere offen gierig. Wie immer dauerte es nicht lange, bis eine zu ihm kam und ihn zu einem Drink einlud. Vermutlich ging es so schnell, weil sie fürchteten, dass eine Konkurrentin ihnen zuvorkommen könnte. Gut aussehende Männer wie er, jung, sportlich, zurückhaltend und damit geheimnisvoll, waren dünn gesät. Sie kamen zu ihm, die Frauen. Sehnsüchtig. Hoffnungsvoll. Bereit. Er wusste, was sie wollten. Er konnte es ihnen geben. Alles. In Hülle und Fülle. Er hatte mehr, als sie wollten. Mehr als sie ertragen konnten.
Sie kamen zu ihm. Baggerten. Er wurde unhöflich. Sie waren beleidigt. Diese Schnallen hatten ja keine Ahnung, wie nett es von ihm war, sie zu ignorieren! Niklas verspürte absolut kein Verlangen, sich an den offenkundigen Angeboten zu delektieren und sich dadurch mit den anderen Anwärtern auf schnellen Sex gemeinzumachen. Das war unter seinem Niveau. Unendlich weit darunter. Wie fast alles. Wie fast alle.
Da gab es die gewöhnlichen Frauen. Die in den Diskotheken. Die ihn anbaggerten. Sie standen nicht zur Debatte. Sie fragten viel, erwarteten noch mehr und verdienten nichts. Subalterne Wesen. Dann gab es die Nutten. Sie fragten nichts. Erwarteten nichts. Und bekamen, was sie verdienten. Und dann gab es die wenigen anderen. Die auf seiner Liste. Erwarteten schlimmstenfalls zu wenig. Verdienten bestenfalls alles. Aber fragten falsch.
Everything has it’s price
Everything has it’s place
What’s more romantic
Than dying in the moonlight?
Niklas lag auf seinem Sofa
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