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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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und hörte Tom Waits. Mehr gab es nicht zu tun für ihn in dieser Nacht. Doch bald. Bald würde er es wieder versuchen. Aber jetzt wollte er entspannen. Seiner Enttäuschung nachschmecken. Und der Strafe, die er für seine Enttäuschung verhängt hatte. Er fragte sich gewissenhaft, ob die Strafe ihn mehr zufriedenstellte als die Erfüllung seines Wunsches es hätte tun können.
    Er musste aufpassen. Sich selbst immer und immer wieder überprüfen. Er durfte seine Ziele nicht aus den Augen verlieren. Auch wenn ihm das zwischenzeitliche Scheitern noch so großes Vergnügen bereitete.
    17. August 2009:
Düsseldorf.
    Clarissa Wedekind durchquerte energischen Schrittes das Vorzimmer und betrat ihr Büro. Sie legte ihre Unterlagenmappe aus Krokodilleder auf den Tisch, ging zum Fenster und sah lächelnd hinaus. Es war ein sonniger Vormittag, nicht mal zwölf Uhr, doch für sie hatte der Tag seinen Höhepunkt schon erreicht. Sie war bei Rüdiger Roth, dem derzeitigen Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, zu Hause zum Arbeitsfrühstück eingeladen gewesen. Es war bestens gelaufen. Der alte Roth hatte ihr volle Unterstützung zugesagt und würde all seine Kontakte nutzen, um Clarissa den Weg zu seiner Nachfolge zu ebnen. Jetzt konnte kaum noch etwas schiefgehen. Ihr einzig ernst zu nehmender Konkurrent um die absolute Führungsposition war Uwe Dietrich, ein hervorragender Volkswirtschaftler, der sich zäh nach oben gebissen hatte und ebenso wie sie mit harten Bandagen kämpfte. Sie gingen kollegial, fast freundschaftlich miteinander um. Doch eins war ihnen beiden bewusst: Hinter der entspannten Fassade wurde aufgerüstet. Clarissa hatte auf der Suche nach Angriffspunkten ein Dossier über Dietrich angelegt, das jedem Datenschutzgesetz spottete. Sicher tat er das Gleiche mit ihr. Wer von ihnen beiden auch nur einen Fehler machte, war aus dem Rennen. Natürlich würden sich weder Clarissa noch Dietrich die Blöße geben, den Gegner persönlich ans Messer zu liefern. Dafür gab es Handlanger. Aber dass keiner von ihnen auch nur eine Sekunde zögern würde, die Schmutzwäsche des anderen an die Öffentlichkeit zu zerren, war ebenso klar.
    Clarissa wandte sich vom Fenster ab und setzte sich zufrieden an ihren Schreibtisch aus schwarzer Walnuss. Wenn Roth sie unterstützte, konnte sie sich getrost zurücklehnen. Der alte Mann hatte im Konzern und bei den Aktionären immer noch große Macht. Clarissa rief mit einem Knopfdruck ihre persönliche Assistentin herein. Tanja kam wie gewohnt innerhalb von Sekunden, die geöffnete und vorsortierte Post des Morgens unter dem Arm.
    »Tanja, würden Sie bitte einen Blumenstrauß an Rüdiger Roths Frau schicken, mit Dank und Blabla für den schönen Brunch. Dezent, aber edel – wie immer.«
    »Wird erledigt, Frau Wedekind. Die heutigen Termine sind auf Ihrem Computer. Und hier ist die Post. Das Päckchen wurde eben von einem Kurier gebracht mit dem Vermerk ›privat‹. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Kaffee, frisch gepresster Mangosaft?«
    Clarissa blätterte durch die Briefumschläge. »Beides. Ist die Sitzung mit den Abteilungsleitern vorbereitet?«
    »Selbstverständlich. Herr Hansen aus der Forschung wird einen PowerPoint-Vortrag halten.«
    »Will sich die Wurst wieder wichtigmachen?«
    Tanja war schmunzelnd auf dem Weg nach draußen zu Kaffee und Mangosaft, als Clarissa das Päckchen öffnete. Doch Clarissas Schrei und ein lautes Poltern stoppten sie abrupt. Tanja drehte sich erschrocken um. Clarissa war aufgesprungen und hatte dabei ihren Schreibtischstuhl umgeworfen. Sie starrte entsetzt auf den Inhalt des Päckchens, den Tanja von ihrer Position aus nicht sehen konnte.
    »Wer hat das gebracht?« Clarissas Stimme schien plötzlich heiser und brüchig.
    »Ein Kurier. Absender steht nicht drauf. Wegen des Vermerks ›privat‹, habe ich es nicht geöffnet. Stimmt was nicht?«
    Clarissa löste ihren Blick von dem Päckchen und starrte Tanja an, als würde sie sie zum ersten Mal in ihrem Leben sehen. Dann fasste sie sich wieder, hob den Stuhl auf und setzte sich hin. Mit beherrschter Stimme sagte sie: »Vergessens Sie’s. Nur ein geschmackloser Scherz.«
    »Soll ich es entsorgen?« Tanja war verunsichert. Noch nie hatte sie gesehen, dass ihre Chefin die Beherrschung verlor, nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde.
    Mit einer wedelnden Handbewegung lehnte Clarissa ab. »Darum kümmere ich mich.«
    »Wie Sie wünschen.« Tanja ging hinaus und schloss die Tür leise hinter

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