Puppenspiele
hindern, an den Tatort zu kommen. Da haben Sie nichts verloren!«
Petra war während der Diskussion schon ins Internet gegangen und hatte die Flüge gecheckt. »Wollen Sie, dass ich Jochen Kratz vom Morgenecho anrufe und mit ihm hinfliege? Wir könnten mit unseren Informationen einen Mordsaufstand bei der französischen Presse machen. Und anschließend hier bei der deutschen.«
»Reden Sie keinen Unsinn, sonst werde ich echt sauer!«
Petra sah von ihrem Computer auf. »Keine Direktflüge, geht alles über Paris. Wir nehmen den Nachtzug um halb eins. Dann sind wir um halb zehn morgen früh da. Reicht das?«
Christian war insgeheim froh, dass er nicht fliegen musste. Das war aber auch das einzig Gute. Glücklicherweise lief die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und französischen Polizei seit Jahren außerordentlich gut. Aber Kompetenzen hatte er dort keine. Er sprach nicht mal französisch. Dafür konnte Herd fast ebenso gut Französisch wie Karen, die mehrere Sprachen fließend beherrschte.
»Außerdem spreche ich französisch«, sagte Petra. »Sie auch?«
Christian fluchte. Diese attraktive Professorin wurde ihm langsam unheimlich. Sie konnte wirklich seine Gedanken lesen!
Genf.
Thomas Howela saß in einem First-Class-Hotelzimmer in Genf und beendete missmutig seinen schriftlichen Bericht an Clarissa. Eigentlich hatte er heute Abend nach Düsseldorf zurückfliegen wollen, um ihr alles persönlich zu erzählen. Und um mit ihr ins Bett zu gehen. Doch Clarissa hatte abgelehnt. Sie war zu irgendeinem Event eingeladen und zog es nicht in Erwägung, ihn mitzunehmen. Ebenso wenig war sie auf die Idee gekommen, Howela nach dem Event in ihrer Wohnung zu empfangen. Vielleicht hatte sie ein anderes Eisen im Feuer. Jedenfalls hatte Howela entschieden, noch in Genf zu bleiben und sein Spesenkonto anständig zu belasten. Eine Edelnutte würde ihm die Nacht versüßen. Er wollte nur noch die Mail an Clarissa versenden. Dann würde er sich in die kundigen Hände der Prostituierten begeben.
Howela hatte mehrere Tage gebraucht, um die Mosaiksteinchen von Niklas Schmitts Leben in der Schweiz zu finden und zu einem Bild zusammenzusetzen. Kleine Bestechungsgelder lockerten Zungen und erlaubten ihm, das ein oder andere Dokument zu kopieren. Nun hatte er Niklas’ Genfer Jahre weitestgehend und ohne größere Lücken dokumentiert. Howela las seinen Bericht ein letztes Mal zur Korrektur:
Niklas S. immatrikulierte sich im Wintersemester 2002 nach seinem Abitur in Essen an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf. Er wohnte in einer Kellerwohnung im Chemin de la Gradelle 89, wo er sich die geringe Miete leisten konnte, da er Hausmeistertätigkeiten für die Besitzer der Villa verrichtete. Den Professoren an der Fakultät fiel er durch Intelligenz und schnelle Auffassungsgabe auf. Ebenfalls stellte sich heraus, dass Niklas S. Talent für die Chirurgie besaß. Doch trotz der hervorragenden Noten und Beurteilungen, die Niklas S. während seines Studiums erzielte, war Professor Rounard, der Leiter der Fakultät, davon überzeugt, dass aus S. niemals ein guter Arzt werden würde. In einer heftigen verbalen Auseinandersetzung, die Rounard mit S. gegen Ende von dessen Studium führte, riet Rounard seinem besten und ehrgeizigsten Studenten, in die Forschung zu gehen, aber die Finger von notleidenden Patienten zu lassen, da er keine moralischen Überzeugungen und keine inneren Werte besäße, welche für einen guten Arzt absolut vonnöten seien. Rounard erinnert sich, dass S., der nie die Fassung verlor, bei diesem gut gemeinten Ratschlag erbleichte und die Fäuste zusammenballte, sodass Rounard körperliche Gewalt befürchtete. Nichts dergleichen jedoch geschah. S. setzte sein Studium fort und schloss im Oktober 2007 mit summa cum laude ab. Seitdem hat man an der Medizinischen Fakultät weder von ihm noch etwas über ihn gehört, was bei einem derart guten Mediziner bemerkenswert ist. Im Normalfall wissen die Professoren, wo und auf welche Weise ihre besten Studenten Karriere machen.
Privat lebte Niklas S. die ersten Jahre in Genf vollkommen unauffällig. Er hielt sich fern von seinen Kommilitonen, hatte häufig wechselnde Freundinnen, aber keine einzige Beziehung von Dauer. Bis er, offensichtlich in einer Kneipe, zwei junge Männer kennenlernte, die von da an seine ständigen Begleiter wurden: der Deutsche Rafael Jürgens, Jurastudent, im gleichen Alter wie Niklas, und der Brite Anthony Parkinson, der Kunst
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