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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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in einem französischen Polizeiwagen mit Fahrer auf ihn. Herd begrüßte Petra Rahnberg, als sei ihre Anwesenheit das Selbstverständlichste von der Welt. Keine missbilligend hochgezogenen Augenbrauen, kein fragender Blick. Wieder wusste Christian, warum er mit genau diesen Leuten zusammenarbeitete und mit keinen anderen.
    Sie fuhren zum Tatort, einem kleinen Kutscherhaus, das im rückwärtigen Garten einer alten Villa gelegen war. Dort angekommen, forderte Christian Petra unmissverständlich auf, im Garten zu warten. Er würde sie rufen, falls er es für angemessen hielt. Zu seiner großen Überraschung fügte sich Petra ohne Widerworte. Sie setzte sich auf eine schief gemauerte Beetumrandung, neben der ein verwittertes, altes Fahrrad vor sich hin rostete, und zündete sich eine Zigarette an.
    Christian folgte Herd in das abgesperrte Kutscherhaus. Die französische Spurensicherung hatte ihre Arbeit abgeschlossen, und auch Karen hatte sich schon einen ersten Eindruck verschafft. Bevor sie die Leiche endlich abtransportieren ließen, sollte Christian ein Auge darauf werfen. Herd stellte Christian dem leitenden französischen Beamten vor. Kommissar Adam Montaigne war ein in sich ruhendes Monument, der in seine Gedanken versunken schien und auf Christian einen absurden, nämlich verschlafen-hellwachen Eindruck machte. Christian bedankte sich für die Geduld der französischen Kollegen und sicherte ihnen jegliche Unterstützung aus den deutschen Kommissariaten und einen uneingeschränkten Informationsaustausch zu. Dann wurde er von Herd und Montaigne zum Epizentrum des Geschehens geleitet.
    Die Wohnung befand sich im ersten Stock des Kutscherhauses. Im Parterre war lediglich ein geräumiges Entrée, das früher als Garage gedient haben mochte. Von der unteren Ebene führte eine Treppe nach oben zur Wohnung. Vom winzigen Flur ging nach rechts die Küche ab. Christian wurde von Herd jedoch gleich nach links zum Wohnzimmer geführt.
    Das Wohnzimmer war klein und übersichtlich. Mittig an der Decke, mit diversen Seilen und Haken befestigt, hing die Leiche einer jungen Frau. Der Körper parallel zur Decke, der Rücken nach oben, Gesicht nach unten. Die Unterschenkel waren durch Seile angewinkelt, sodass die Fußsohlen zur Decke zeigten. Die Arme waren weit vom Körper abgespreizt, als wollte sie fliegen. Wie in Berlin und München war der Körper vollkommen haarlos und komplett mit weißer Schminke überdeckt, sodass der groteske Eindruck einer Marionette entstand, die an Schnüren über der Bühne schwebte. Nur die auffällige Narbe in der Herzgegend war rot, mit geronnenem Blut markiert. Die Augen der Leiche waren weit geöffnet, ihr Blick fiel auf den Spiegel, der unter ihr lag. Es war ein großer Spiegel, der aus dem Schrank auf der rechten Seite des Zimmers herausgehebelt und auf den Boden, direkt unter die Leiche, gelegt worden war.
    Das alles nahm Christian mit dem ersten Blick wahr. Karen stand abseits und nickte ihm zur Begrüßung nur stumm zu. Herd sprach leise auf französisch mit den anwesenden Beamten. Dann war Christian allein in dem Raum und seinen Kollegen sehr dankbar dafür.
    Vorsichtig auf die Spurenlage achtend, setzte er sich auf den Boden und betrachtete die Leiche von unten. Sie schwebte über ihm. Losgelöst von dieser Welt. Er sah den Körper der Frau, sah die glatte, weiße Haut, die rasierte Scham, die fehlenden Augenbrauen, die offenen, wimpernlosen Augen. Instinktiv begriff er, dass ihm hier keine Frau präsentiert wurde, nicht mal ein Mensch. Es war ein Ding. Eine Puppe. Ein entmenschlichtes Wesen. War genau dieser Eindruck beabsichtigt? Was machte den Menschen aus? War es das Herz, das der Mörder diesen Frauen nahm? War es die Freiheit, die er in Fesseln legte? War es wirklich nur die Behaarung, deren Fehlen ihm dieses Wesen jetzt so außerirdisch und unmenschlich erscheinen ließ? Was glaubte der Mörder? Christian hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass er Kontakt aufnahm. Dass er ihn noch nicht verstand – aber dass er ihn sah. Diese Leiche war ein Abbild der kranken Psyche des Mörders.
    Plötzlich bemerkte er im Augenwinkel, dass Petra Rahnberg an der Tür stand und mit offenem Mund und wundem Blick auf die junge Frau an der Decke starrte. Stumm liefen ihr die Tränen über die Wangen. Christian fragte sich, welcher Idiot sie vorgelassen hatte. Er hätte sie jetzt gerne in den Arm genommen und festgehalten. Doch sie würdigte ihn keines Blickes, sie starrte auf die Leiche. Ein, zwei, drei

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