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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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endlose Sekunden lang … Dann drehte sie sich um und ging wieder hinaus.
    Langsam erhob sich Christian und wandte seinen Blick von der Leiche hin zu dem Spiegel, der passgenau unter sie platziert worden war. Es stand eine Botschaft darauf, geschrieben mit blutigen Fingern. Christian verstand sie nicht, sie war auf französisch. Er ging zur Tür und nickte. Herd, Karen, Kommissar Adam Montaigne und seine Beamten betraten wieder den Raum. Montaigne fragte ihn etwas, Herd übersetzte: »Ob du fertig bist? Dann wollen sie die Leiche abtransportieren. Sie hoffen, dass sie sie schnell identifiziert haben. Frauenkleidung liegt im Schlafzimmer neben dem Bett, aber die Kollegen haben noch keine Handtasche mit Ausweispapieren oder Ähnliches gefunden, was Aufschluss geben würde.«
    Christian nickte und bat Herd, seinen Dank für die Geduld zu übersetzen. Während die französischen Kollegen in aller Stille ihren Pflichten nachgingen und die Leiche umsichtig aus ihren Fesselungen an der Zimmerdecke lösten, bat Christian Herd und Karen, ihm die blutige Botschaft auf dem Spiegel zu übersetzen.
    »Da steht erst mal: ›faux fleur, enfin sans coeur‹« sagte Herd. »Das heißt: ›falsche Blume, endlich ohne Herz‹. Klingt auf französisch nur schicker. Wie fast alles.«
    »Und der Rest?«, fragte Christian. Auf dem Spiegel stand noch einiges mehr geschrieben.
    »Das ist eine Art Gedicht«, meinte Karen. »Es wird schwer sein, es in deutsche Poesie zu übertragen. Ich kann dir den Sinn vermitteln, aber ich bin keine Dichterin.«
    »Ich habe eine Literaturwissenschaftlerin dabei. Schreib den Text bitte wörtlich ab und zeig ihn Petra Rahnberg. Sie sitzt draußen im Garten. Hoffe ich zumindest.«
    »Ach, deswegen ist Frau Professor hier. Als literarische Beauftragte.« Nun kam dann doch eine Spitze von Herd. Karen enthielt sich jedes Kommentars und ging hinaus.
    Christian besah sich die komplizierte Demontage der Leiche, dann folgte er Karen in den Garten. Sie brütete mit Petra über der Botschaft.
    »Ich nutze jetzt ein wenig die Freiheit des Übersetzers, der nicht den Text übersetzt, sondern die Seele des Textes, okay?«, begann Petra, als Christian sich zu den beiden setzte.
    Christian nickte. Derlei Feinheiten waren ihm vorerst egal.
    »Da steht:
     
    Weil sie einsam war
    Und so blond ihr Haar
    Ihr Herz tot wie Stein
    Und er rief aus:
    Komm her,
    sollst nie mehr einsam sein! «
     
    Petra sah Christian erwartungsvoll an, ganz so, als könne er aus den Zeilen des Rätsels Lösung lesen.
    Er war weit davon entfernt. »Sagt dir das irgendetwas?«, fragte er Petra hilflos.
    »Wegen der ›faux fleur‹ dachte ich gleich an die ›Blumen des Bösen‹ von Baudelaire. Aber das Gedicht klingt nicht nach Baudelaire. Es klingt … ein wenig trivial. Vielleicht hat der Mörder das selbst getextet. Jedenfalls verspreche ich dir: Wenn es ein Zitat sein sollte, dann werde ich die Quelle finden.«
    »Sag Herd, er soll es mit seinem Laptop an Daniel schicken«, wandte sich Christian an Karen. Er konnte nicht warten, bis Petra wieder in ihrem Studierstübchen saß und ihre Bücherregale durchforstete.
    »Geht klar. Ich hab übrigens von Commissaire Montaigne die Einladung bekommen, an der Obduktion teilzunehmen.«
    »Das hatte ich gehofft. Melde dich, sobald ihr fertig seid. Herd soll sich an Montaigne ranhängen, ihm die Kopie von Liesel Stammingers Phantombild zur Verfügung stellen und bei den ersten Zeugenbefragungen in der Nachbarschaft mittraben. Ich bin überflüssig, verstehe eh kein Wort. Also mache ich mich mit Petras polyglotter Hilfe auf die Suche nach einem Hotel für uns. Schätze, wir müssen mindestens bis morgen bleiben. Hoffentlich bekommt ihr die Leiche schnell identifiziert.«
    Am Abend saßen Christian und Petra im Hotel-Restaurant und gaben gerade ihre Bestellung auf, als Herd und Karen eintrafen. Die beiden blickten zuerst in die Speisekarte, bevor sie ihren Bericht ablieferten. Christian sah Petra ihre Ungeduld an. Sie konnte es nicht fassen, dass sich Herd und Karen im Moment mehr für ein saftiges Entrecôte interessierten als für den aktuellen Fall. Christian verstand das nur zu gut und wartete. Er konnte sich denken, dass die beiden den ganzen Tag keinen Bissen zu sich genommen hatten und nun dringend etwas Nahrhaftes brauchten, bevor sie den Mund zum Reden aufmachten. So war es dann auch.
    Kaum hatten sie bestellt, lehnte sich Herd zurück und begann seinen Bericht: »Opfer ist identifiziert. Sandrine

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