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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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sechzehn Jahre alten Zeugin zu tätigen. Vielleicht irrte sie, vielleicht spielte sie sich nur auf. Schließlich passte ihre zehnjährige Schwester absolut nicht in das bisherige Opferprofil des gesuchten Frauenmörders. Dennoch wollte er Christian unbedingt informieren.
    Christian legte alarmiert auf und bat Anna, ihr Navigationssystem neu zu programmieren. Sie machten sich sofort auf den Weg. Haltern am See lag etwa vierzig Kilometer südwestlich von Münster. Christian hatte zwar vor wenigen Minuten noch drauf gebrannt, die aktuellen Täterprofil-Thesen mit Volker und den Kollegen in Berlin zu diskutieren und damit vielleicht eine neue Basis für die Fahndung zu entwickeln. Jetzt jedoch lagen die Dinge anders. Christian war beeindruckt von der Denkweise des Kommissars aus Nordrhein-Westfalen. Die Tübinger Leiche passte nicht zu den Leichen in München, Berlin und Straßburg. Falls Sarah Kopper aber tatsächlich in die Reihe gehörte oder gar den Beginn der Mordserie markierte, dann musste man bei dem Serientäter jederzeit mit unliebsamen Überraschungen rechnen. Die Leiche einer Zehnjährigen, der man das Herz herausgeschnitten hatte, gehörte definitiv zu den Überraschungen, die Christian sich nicht mal vorstellen mochte. Anna gab Vollgas. Sie schaffte die dreihunderteinundzwanzig Kilometer trotz einiger Baustellen in zwei Stunden vierzig.
    Christian und Anna trafen kurz vor sechs Uhr abends im Haus der Familie Jacob ein. Vor dem Haus standen mehrere Streifenwagen, die nicht besetzt waren. Hauptkommissar Clemens Weyrich empfing Christian und Anna an der Haustür. Er war ein mittelgroßer Mann Anfang vierzig, dessen dünnes, blondes Haar sich bereits zu lichten begann. Er wirkte durchtrainiert, dynamisch und entschlossen. Allerdings standen ihm Schlafmangel und Anspannung ins Gesicht geschrieben. Jenny wurde seit einundzwanzig Stunden vermisst.
    Jennys Mutter Barbara saß auf dem Sofa, stierte vor sich hin und nahm kaum Notiz von den Neuankömmlingen. Ihre Augen waren gerötet, die Tränensäcke geschwollen. Der Vater stand im Vorgarten, rauchte eine nach der anderen und sah unaufhaltsam, die Stirn von dunklen Vorahnungen umwölkt, zum See. Auch er hatte Christians und Annas Ankunft nicht beachtet. Clemens Weyrich erzählte, dass Werner Jacob eigentlich den Beamten draußen bei der Suchaktion helfen wollte. Doch seine Frau hatte ihn angefleht, an ihrer Seite zu bleiben. Die erzwungene Untätigkeit lastete schwer auf ihm. Quasi über Nacht war die gesamte Familie Jacob aus ihrem geregelten Alltag in eine akute Todesangst gestürzt. Auch Jessica war völlig mitgenommen. Sie gab sich die Schuld an den Vorkommnissen und ließ sich nicht davon abbringen. Zumal Jessica sehr wohl spürte, wie wenig ihre Mutter dazu beitrug, sie von diesem Schuldgefühl zu entlasten. Als Jessica nun auch Christian die Ereignisse des Vortages schilderte und dabei wiederholt in Tränen ausbrach, fiel Anna auf, dass Barbara Jacob nicht in der Lage war, ihre ältere Tochter in den Arm zu nehmen und zu trösten. Vermutlich glaubte Jessica deswegen an einen unausgesprochenen Vorwurf vonseiten der Mutter: Wenn sie zu Hause geblieben wäre, statt sich egoistisch mit ihren Freunden zu amüsieren, dann wäre Jenny jetzt noch da.
    Als offizielle psychologische Beraterin der Soko Bund bat Anna die Mutter, sich mit Jessica in deren Jugendzimmer unterhalten zu dürfen. Sie hoffte, bei einem Gespräch unter vier Augen das Mädchen wenigstens etwas zu beruhigen und ihr die irrationalen Schuldgefühle zu nehmen – und eventuell an zusätzliche Informationen heranzukommen. Christian verließ sich auf Anna. Sie hatte in ihren früheren Zeiten als Psychotherapeutin häufig mit verstörten Jugendlichen zu tun gehabt und konnte entsprechend sensibel mit ihnen umgehen. Außerdem fühlte sich eine Frau in vielen Situationen einfach besser in ein junges Mädchen ein als ein männlicher Beamter.
    Als Anna mit Jessica nach oben verschwunden war, gesellte Christian sich zu Weyrich, der von der großen Wohnküche aus den Krisenstab leitete. Auf einer Eckbank lag eine junge Beamtin und schlief in unbequemer Haltung. Als Kopfkissen nutzte sie einen zerfledderten Teddybären. Neben ihr befand sich das Gerät zur Telefonüberwachung. Weyrich stand an der Arbeitsplatte und kochte frischen Kaffee. Er reichte Christian ohne zu fragen eine Tasse.
    »Wie sieht’s aus?«, fragte Christian.
    Weyrich berichtete müde von den Maßnahmen, die er eingeleitet hatte, nachdem die

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