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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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unterhalten, darüber hat Petra schon jede Menge interessantes Material zusammengesucht. Das hilft dir sicher beim Erstellen des Profils. Und dann ist da noch ein rühriger Journalist, mit dem ich eine Art Abmachung getroffen habe.«
    Anna wunderte sich. Seit wann war Christian so reisefreudig? Seit wann traf er Absprachen mit einem Journalisten? Seit wann befragte er Angehörige von Opfern zur kriminalistischen Versionsbildung? Und nannte sie auch noch beim Vornamen?
    Sie sagte jedoch kein Wort, sondern ging unter die Dusche, um sich für die Reise frisch zu machen. Schlafen konnte sie später.

Haltern am See.
    Niklas hatte Anfang August, also noch vor seiner Kontaktaufnahme mit Sandrine, die örtlichen Gegebenheiten in Jennys Umgebung erkundet. Dabei war er auf einen Wald nordöstlich des Halterner Sees gestoßen, in dem eine unbenutzte Scheune verwitterte. In dieser Scheune befand er sich nun mit Jenny.
    Auch wenn er Jenny niemals ernsthaft als Kandidatin in Erwägung gezogen hatte – sie stand auf seiner Liste und wohnte nicht allzu weit von Düsseldorf, wo er wegen der Auskundschaftung Clarissas viel zu tun gehabt hatte. Es hatte sozusagen nahegelegen, sich schon mal in Haltern am See und Umgebung umzusehen. Nur für den Fall der Fälle. Der war nun eingetreten. Sandrine hatte sich als Mogelpackung erwiesen, genau wie Sarah, Mira und Catrin. So weit Niklas’ emotionale Mangellage es überhaupt zuließ, empfand er Enttäuschung und Ärger. Es konnte doch nicht angehen, dass er sich jetzt mit einer Zehnjährigen befassen musste!
    Jennys kindlicher Körper brauchte die ganze Nacht und den halben Tag, das Betäubungsmittel zu verkraften, das er ihr verabreicht hatte. Sie war erst vor Kurzem aufgewacht und hatte sich verwundert umgesehen. Obwohl es heftig regnete, war es trocken in der Scheune. Das Dach hielt dicht. Allerdings pfiff der Wind unangenehm frisch durch die Holzlatten, aus denen die Seitenwände gezimmert waren. Durch die Ritzen der inzwischen morschen Latten drang trübes Licht herein. Niklas ließ zusätzlich zwei Taschenlampen brennen, deren Lichtkegel nach oben an die Decke zeigten. Die indirekte Beleuchtung verlieh dem Inneren der Scheune eine fast anheimelnde Atmosphäre, wenn man von den großflächigen Spinnennetzen absah, die sich im Dachgebälk ineinander verfingen. Eine Mäusemutter, die ihre noch nackten Jungen panisch aus dem Nest holte und einzeln in eine andere Ecke der Scheune verfrachtete, weil sie sich durch die Besucher gestört fühlte, huschte im Schatten herum und fiel nicht weiter auf. Ihr Geraschel wurde weitgehend durch den heulenden Wind überlagert.
    Seit etwa einer dreiviertel Stunde saß Jenny nun auf dem Boden, gelehnt an zwei Strohballen, und starrte ihn stumm an. Er hatte ihre Füße mit einem Seil an einem Holzklotz fixiert, der so schwer war, dass das Kind ihn nicht würde bewegen können. Auf ihrem Schoß schlief das Kätzchen, das er ihr mitgebracht hatte. Niklas saß ihr gegenüber und beobachtete sie, ebenfalls still. Er war gespannt, wie lange die Kleine schweigen konnte. Außerdem wusste er nicht so recht, wie er anfangen sollte. Das letzte Mädchen in annähernd diesem Alter, mit dem er gelegentlich zu tun gehabt hatte, war seine dämliche Adoptivschwester gewesen. Bei ihrem letzten Gespräch, an das er sich erinnerte, war er sieben oder acht gewesen und hatte gedroht, ihre Nasenflügel mit einer Laubsäge zu verzieren, falls sie selbige noch einmal in seine Belange oder die seiner Biker-Gang stecken sollte. Kurz darauf war er im Heim gelandet.
    »Du bist Stuntman Mike«, sagte die Kleine plötzlich.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Das hat meine Schwester gesagt.«
    »Das stimmt aber nicht. Wer soll dieser Mike denn sein?«
    »Ein Mann aus einem Film. Er fährt einen Ford Mustang.«
    »Das hat sich deine Schwester ausgedacht.«
    Jenny überlegte kurz und sah Niklas misstrauisch an. Dann gab sie nach: »Das kann sein. Jessica denkt sich oft Sachen aus. Wer bist du denn dann?«
    »Ich heiße … Peter Pan.«
    Jenny kicherte: »Das hast du dir jetzt aber ausgedacht. Peter Pan kenne ich nämlich. Das ist der Junge, der nicht erwachsen werden will.«
    »Du bist ganz schön schlau.«
    »Das sagen alle. Ich gehe auch aufs Gymnasium!«
    »Was willst du mal werden, wenn du groß bist?«
    »Erfinderin! Warum hast du mir die Füße angebunden?«
    »Damit du nicht wegläufst. Vielleicht hast du ja Angst vor mir und willst nach Hause.«
    »Ich habe keine Angst. Aber meine

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