Puppenspiele
keinerlei Hinweise gefunden, dass die Ermordung Koppers mit dem ›Herzensbrecher‹ in Zusammenhang steht.«
»Es gibt noch keine Beweise dafür.«
Kratz forderte Petra mit einer ungeduldigen Geste zum Weitersprechen auf. Doch sie schwieg. »Frau Rahnberg, Ich habe eine Abmachung mit Beyer, wie Sie wissen. Und ich möchte Sie ungern noch einmal daran erinnern, dass ich die erste Spur zum Mörder aufgetan habe. Ich werde keinen Ton veröffentlichen, bevor ich nicht grünes Licht von Beyer habe. Aber wenn ich frühzeitig über alle Erkenntnisse informiert bin, kann ich die Fakten und Thesen schon mal journalistisch aufarbeiten. Das wäre enorm hilfreich für mich.«
»Ich verschwende keinen Gedanken an Sie und Ihre berufliche Karriere. Ich will den Mörder meiner Tochter finden.«
Zu Petras Überraschung zeitigten ihre offenen Worte Wirkung. Jochen Kratz klappte den Mund zu und schwieg eine Weile. Nach dem Essen entschuldigte er sich ernsthaft für sein Drängen. Er wollte keineswegs in die manipulativen Methoden seiner Schmierfink-Kollegen von der Yellow Press abrutschen, die er verachtete. »Also fahren wir zurück nach Berlin«, sagte er und erhob sich.
Petra blieb sitzen. »Vorher möchte gerne Ihre Meinung hören. Ich habe nämlich das Gefühl, dass ich langsam durchdrehe.« Sie bedeutete Kratz, sich wieder zu setzen. Dann erzählte sie ihm alles. Was sie von Christian über den Mord in Tübingen wusste. Was sie selbst in Straßburg gesehen hatte. Sie informierte ihn über die Nachrichten, die bei den Leichen lagen, über das Lied und die abstrusen Querverbindungen, die sie gezogen hatte.
Kratz hörte aufmerksam zu, ohne sie zu unterbrechen. Erst als Petra geendet hatte und ihn fragend ansah, ergriff er das Wort: »Das wäre der absolute Hammer, wenn Sie recht hätten. Für mich macht es Sinn. Ich wundere mich nur, dass Sie Beyer nicht informiert haben.«
»Mir erschien meine Idee letzte Nacht viel zu verstiegen. Ich weiß nicht mehr, ob ich noch klar denke oder nur eine hysterische Frau bin, die ihren Verlust nicht verkraften kann. Deshalb wollte ich zuerst mit den anderen Müttern reden. Beim ersten Beleg für meine These rufe ich Beyer sofort an. Aber jetzt, wo Herr und Frau Kopper mir überzeugend klargemacht haben, dass ich falsch liege …« Petra zuckte müde mit den Schultern.
»Das muss nicht sein. Nach allem, was sie mir über den Mord in Tübingen erzählt haben, geht Beyer nur wegen einiger weniger, wenn auch überzeugender Indizien davon aus, dass Sarah Kopper der Anfang der Reihe sein könnte. Aber ihre Ermordung hat vom Modus Operandi her nichts mit dem Unglück zu tun, das Ihrer Tochter widerfahren ist. Sie sollten mit einer der Mütter reden, deren Töchter auf die gleiche Weise getötet worden sind wie Catrin. Von hier aus sind wir näher an München als an Berlin. Was halten Sie von einem Abendessen im Englischen Garten?«
Petra lächelte ihn zaghaft an. Ihre gewohnte Selbstsicherheit, ihr bestimmtes Auftreten, all das schien sie letzte Nacht auf einen Schlag verloren zu haben. An die Stelle war eine gallertartige Masse aus Verwirrung und Angst getreten, in der sie hilflos schwamm. So kannte sie sich selbst nicht. Sie war tatsächlich froh, dass Jochen Kratz ihr bei der Entscheidung half.
»Dann auf nach München.«
Haltern am See.
Anna verließ gerade den Horner Kreisel in Hamburg und wollte auf die Autobahn in Richtung Berlin einfädeln, als Christian einen Anruf von einem ihm unbekannten Polizeikommissar namens Clemens Weyrich aus Nordrhein-Westfalen bekam. Weyrich steckte mitten in einem brisanten Entführungsfall. Am Abend zuvor, etwa gegen neun Uhr, war in Haltern am See bei Münster ein zehnjähriges Mädchen namens Jennifer Jacob verschwunden. Jessica Jacob, die ältere Schwester des entführten Kindes hatte zu Protokoll gegeben, dass sie und die Kleine tagsüber beim Baden von einem jungen Mann mit Baseballcap und Sonnenbrille beobachtet worden waren. Weyrich ließ nach Jessicas Angaben von einem Polizeizeichner ein Phantombild des mutmaßlichen Täters anfertigen. Einer Eingebung folgend verglich er es mit dem Phantombild des »Herzensbrechers«, das sie wie alle anderen Dienststellen in Deutschland auf dem Revier hatten. Wenn man dem Porträt des Mörders eine Baseballcap und eine Sonnenbrille aufmalte, war die Ähnlichkeit mehr als verblüffend. Jessica schloss jeden Zweifel aus. Weyrich wagte es nicht, gesicherte Aussagen über die Glaubwürdigkeit seiner gerade erst
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