Puppenspiele
Mama bestimmt und mein Papa. Weil ich nicht da bin.«
»Hast du die beiden lieb?«
»Klar. Is doch normal.«
»Ist es das?«
Jenny betrachtete ihn verunsichert. Sie schien nachzudenken. »Mama und Papa haben mich lieb. Also hab ich sie auch lieb.«
»Das klingt einigermaßen logisch. Und wieso hast du keine Angst vor mir?«
»Weil böse Menschen keine Kätzchen haben, oder?«
»Das ist jetzt aber nicht logisch, Jenny.«
»Was ist: logisch?«
»Logisch ist, wenn etwas nur genau so und auf gar keinen Fall anders sein kann. Zum Beispiel, dass weiß weiß ist und niemals schwarz.«
Jenny kicherte: »Aber wenn man weiß nicht mit dem richtigen Mittel wäscht, wird es grau. Hat meine Mami mal gesagt, als Papa das falsche Waschpulver eingekauft hat.«
Niklas musste lachen: »Du sprichst jetzt von dreiwertiger Logik. Das ist die mit dem Grauschleier.« Die Kleine machte ihm Spaß. Er sah auf die Uhr. Allzu viel Zeit hatte er nicht. Die Bullen würden sicher schon mit Suchtrupps durch die Wälder am See schwärmen. Er öffnete eine Packung Kekse und reichte sie ihr. Sie hatte bestimmt Hunger.
»Danke. Hast du auch was zu trinken?«
Er gab ihr eine Limonade aus seinem voluminösen Rucksack. Sie steckte direkt neben dem OP-Besteck.
Reutlingen.
Petra Rahnberg verließ das Haus der Familie Kopper voller Enttäuschung. Ohne auf den Nieselregen zu achten, überquerte sie die Straße, öffnete die Wagentür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Jochen Kratz fuhr zusammen. Er war eingeschlafen gewesen.
»Wie war’s?«, fragte er benommen.
»Fehlanzeige.«
»Und jetzt? Zurück nach Berlin?«
»Fahren Sie bitte erst einmal in die Stadt in irgendein Café oder Restaurant. Ich muss etwas essen und in Ruhe nachdenken. Das kann ich bei ihrem todessehnsüchtigen Fahrstil auf der Autobahn nicht.«
»Essen ist gut. Essen ist immer gut.«
Kratz fädelte ungeschickt in den Verkehr ein und lenkte den Wagen auf Befehle seines Navis in Richtung Reutlinger Innenstadt.
Am frühen Morgen hatte Petra ihr Berliner Wohnhaus verlassen, um zum Bahnhof zu fahren. Kratz stand vor dem Haus und passte sie ab. Beleidigt wiederholte er all die Vorwürfe, die er schon auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Er wollte sich nicht aus dem Fall herausdrängen lassen und würde sie von nun ab keine Sekunde mehr aus den Augen lassen. In der Tat war er hartnäckig neben ihr hergetrabt, während er weiter auf sie einredete. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, wäre die Polizei gewesen. Doch Petra hatte weder Zeit noch Lust auf Komplikationen. Also willigte sie schließlich ein, sich von Kratz begleiten zu lassen. Sie waren in Kratz’ großen Mercedes gestiegen. Bevor er losfuhr, hatte sie ihm das Versprechen abgenommen, sie nicht mit Fragen zu nerven. Er durfte sie chauffieren, aber mehr nicht. Kratz willigte ein. Er war zwar etwas irritiert gewesen, als sie Reutlingen zum Fahrziel erklärte, aber er hielt sich mit Fragen zurück. Kratz war noch nicht auf den möglichen Zusammenhang von Sarah Koppers Ermordung und dem »Herzensbrecher« gestoßen, noch hatten Christian Beyer oder Striebeck ihn darüber informiert.
Nun hielt er vor dem erstbesten Café in Reutlingen. Als sie schließlich vor einem verspäteten Mittagessen saßen, konnte er seine journalistische Neugier nicht länger ausbremsen: »Was machen wir hier?«
Petra gab keine Antwort.
»Habe ich Sie durch die Republik gegurkt, damit Sie Ihre Großmutter besuchen können, oder was?« Kratz sah dermaßen ratlos aus, dass Petra gegen ihren Willen lachen musste.
»Gut«, meinte Kratz. »Das also nicht. Als Sie aus dem Haus der Familie Kopper kamen, wirkten Sie frustriert. Was meinten Sie mit Fehlanzeige?«
»Woher wissen Sie den Namen?«
»Liebe Frau Professor, glauben Sie im Ernst, ich hätte die ganze Zeit, die Sie da drin waren, im Auto gesessen und mich mit der erotischen Stimme meiner Freundin aus dem Navi vergnügt? Ich bin ausgestiegen, habe auf das Klingelschild gesehen und meinen Kollegen Nico vom Radio angerufen, der den Namen für mich durch seinen Computer gejagt hat. Und was glauben Sie, auf welche etwas ältere, aber nichtsdestotrotz interessante Meldung aus dem Bereich Kapitalverbrechen er dabei gestoßen ist?«
»Die blöde Frage nach meiner Großmutter war also rein rhetorisch.«
»Yep. Sagen Sie mir jetzt bitte, wieso wir hier sind. Hat der Tod von Sarah Kopper etwas mit dem Tod Ihrer Tochter zu tun? Was wird der Presse vorenthalten? Nico hat
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