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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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auf den winzigen Tisch und zog behutsam die Tür hinter sich zu.

    Jedes Mal, wenn Michael den großen Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek betrat, überkam ihn ein ehrfürchtiges Gefühl. Er hatte oft davon geträumt, einmal nachts hier eingeschlossen zu sein, in diesem hohen, majestätisch anmutenden Raum, und all die Bücher ganz
für sich allein zu haben. Früher war er regelmäßig hier gewesen, manchmal, weil das Studium es erforderte, oder auch nur um zu stöbern und zu lesen - aus Herzenslust und am liebsten den ganzen Tag lang. Diesen Luxus konnte er sich heutzutage nicht mehr leisten. Und auch jetzt war er nicht gekommen, um sich den Büchern zu widmen. Er wollte in den Zeitungsarchiven den Fall Lisa Marie Elbert recherchieren. Das Verschwinden des Mädchens und die spektakuläre Suchaktion, von der ihm der Polizeibeamte in Starnberg erzählt hatte, mussten Thema in den Tageszeitungen gewesen sein. In der Süddeutschen Zeitung garantiert. Vielleicht ließ sich dort ein Hinweis finden.
    Da er nicht wusste, wie er es anstellen sollte, an die entsprechenden Artikel zu kommen, ging er zur Information. Eine freundliche Bibliotheksangestellte half ihm weiter. Statt aus hohen Regalen gebündelte alte Zeitungen herauszusuchen, setzte sie ihn vor einen Computer.
    »Von der Süddeutschen Zeitung haben wir alle Artikel bis zurück ins Jahr 1992«, sagte sie. »Sollten Sie noch frühere Ausgaben suchen, ist das auch kein Problem, dann allerdings kostenpflichtig. In das Feld hier oben können Sie das gewünschte Datum eingeben, Jahr, Monat und Tag. Oder Sie geben hier in dieses Feld einfach nur ein Stichwort ein und bekommen alle entsprechenden Artikel dazu. Sie können ausdrucken, kopieren, je nachdem, wie Sie es gern hätten.«
    Dann ging sie. Michael gab in die Stichwortsuche ein: Lisa Marie Elbert .

    Der erste Treffer war ein Artikel, erschienen am 5. April 1998.
    ZEHNJÄHRIGES MÄDCHEN VERMISST
    In der Nacht vom dritten zum vierten April verschwand die zehnjährige Lisa Marie Elbert. Ihr Verschwinden wurde am Morgen des 4. April von der Mutter bemerkt. Das Bett des Mädchens war leer, und das Fenster stand weit offen. Die Mutter alarmierte sofort die Polizei. Eine großräumige Suchaktion wurde eingeleitet.
    Der nächste Artikel war vom 6. April:
    KEINE SPUR VON LISA MARIE
    Die Suche nach dem vermissten Mädchen wird fortgesetzt. Sondertrupps der Polizei sind mit Hubschraubern und Spürhunden in und um den Possenhofener Wald im Einsatz. Das gesamte Gelände wird von Grund auf durchkämmt. Auch die Anwohner der umliegenden Ortschaften helfen mit. Nach wie vor gibt es aber keine Spur. Es wurde eine Sonderkommission gebildet.
    Am 7. April 1998:
    LISA MARIE BLEIBT SPURLOS VERSCHWUNDEN
    Die Sonderkommission »Lisa« hat die intensive Suche nach dem verschwundenen zehnjährigen Mädchen inzwischen großräumig ausgedehnt. Die Maisinger Schlucht wurde durchkämmt und der Maisinger See von Tauchern
abgesucht. Noch immer gibt es keine Spur. Der Leiter der Sonderkommission, Hauptkommissar Helmut Stiegler, bittet die Bevölkerung weiterhin um aktive Mithilfe. Außerdem werden Zeugen gesucht, die ein blond gelocktes Mädchen oder eine verdächtige Person gesehen haben könnten.
    Am 8. April 1998:
    SOKO »LISA« RATLOS
    10. April:
    NOCH IMMER KEINE SPUR VON DEM VERMISSTEN MÄDCHEN
    14. April:
    SUCHE EINGESTELLT
    Der Leiter der Sonderkommission, Hauptkommissar Stiegler, erklärte gestern Abend in einer Pressekonferenz, dass die aktive Suche nach der vermissten Lisa Marie Elbert eingestellt wird. Auch zehn Tage nach ihrem Verschwinden gibt es keinerlei Hinweise, weder Spuren noch Zeugenaussagen. Der Fall bleibt mysteriös. Trotzdem setzt die Sonderkommission ihre Arbeit fort und versucht, eine Spur des vermissten Mädchens zu finden. Die Bevölkerung wird gebeten, weiterhin achtsam zu sein. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

    Das war der letzte Artikel, den Michael unter dem Stichwort Lisa Marie Elbert finden konnte.

    Kriminalhauptkommissar Stiegler war inzwischen pensioniert, doch es war nicht schwer gewesen, ihn ausfindig zu machen. Er hatte sich mit seiner Frau an den Chiemsee zurückgezogen und züchtete dort voller Leidenschaft Tomaten. Er empfing Michael in seinem kleinen Gewächshaus, in dem er - in grüner Latzhose und Gummistiefeln - inmitten hoch gewachsener Tomatenstauden stand und seine Züchtungen begutachtete. Sie waren von unterschiedlichster Form und Farbe - manche klein und rund, manche

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