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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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Erfüllung seiner Träume gewesen, die erste Frau, in die er sich Hals über Kopf verliebt hatte und mit der er sein Leben verbringen wollte. Er wollte sie auf Händen tragen, Kinder mit ihr haben, den Himmel auf Erden für sie schaffen und alles tun, um sie glücklich zu machen. Und sie hatte sich seiner bedient.
    Aber wozu? Was wollte sie von ihm?
    Von ihm? Es ging nicht um ihn. Es ging um seinen Vater! Seit Lisa in der Villa lebte, geschahen dort die unglaublichsten Dinge. Der Hund wurde vergiftet, die Picassos zerstört, intime Fotos tauchten auf, und immer saß irgendwo eine Puppe. Stets eine andere. Drei an der Zahl. Und es war noch mehr passiert. Im Labor wurde eingebrochen, Martin Schuster war plötzlich weg, und die Testergebnisse wurden gelöscht. Alles geschah zur
selben Zeit. Auf den ersten Blick hatten die Dinge nichts miteinander zu tun, so wie vor zehn Jahren, als in ein und derselben Nacht der Chefchemiker von MediCare und ein kleines Mädchen verschwanden.
    Es gab nicht mehrere verschiedene Fronten, das erkannte Michael nun. Es gab nur ein einziges Problem. Alles gehörte zusammen. Das alte Haus, die Puppen, das Mädchen Lisa, der vermisste Frank Berger, der verschwundene Martin Schuster, die manipulierten Testergebnisse, die gelöschte E-Mail. All diese Geschehnisse waren ineinander verwoben und nichts anderes als Puzzleteile eines Bildes, einer einzigen Geschichte - einer Wahrheit, die er nicht kannte. Noch nicht kannte, denn er würde sie herausfinden.

    Die Seniorenresidenz »Haus am See« in Starnberg erinnerte ihn mehr an ein Fünf-Sterne-Hotel als an ein Altenpflegeheim. Der moderne, schneeweiße Bau mit dem blau schimmernden Ziegeldach und den blau getönten Fenstern stand inmitten einer gepflegten Parkanlage. Der Eingangsbereich war verglast und die Empfangshalle mit weißen Ledersofas ausgestattet. Es gab eine Rezeption, an der Michael sich anmeldete. Kurz darauf wurde er von einer jungen Schwester abgeholt, die ihn zu Frau Elbert brachte.
    Mit dem Fahrstuhl fuhren sie zwei Stockwerke nach oben und gingen einen mit dicken Teppichen ausgelegten Gang entlang. Auf der linken Seite gab eine Fensterfront den Blick in den Park frei, während auf der rechten
Seite die Zimmer lagen. Frau Elbert wohnte in Nummer sechsunddreißig. Die Schwester klopfte zaghaft an und öffnete, nach einem energischen »Herein«, die Tür.
    »Sie haben Besuch, Frau Elbert«, sagte sie. »Es ist der junge Mann, der heute Vormittag angerufen hat.«
    »Er soll hereinkommen«, rief Frau Elbert temperamentvoll. »Ich bin schon ganz gespannt auf ihn.«
    Daraufhin ließ die Schwester ihn eintreten, nicht etwa in ein kleines Zimmer, wie er es vermutet hatte, sondern in ein sehr komfortables, elegant eingerichtetes Appartement. Auf Hochglanz polierte Kirschholzmöbel, beigefarbene Teppiche und überall frische Blumen. Die hohen Sprossenfenster gaben den Blick auf die Berge frei.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte Frau Elbert freundlich. Sie war eine sehr gepflegte, rüstige ältere Dame, gut gekleidet, obwohl ganz in Schwarz, mit Kostüm, Bluse und Seidenschal, und sorgfältig frisiert. Sie mochte höchstens siebzig sein, schätzte Michael, keinen Tag älter.
    Er hatte ihr einen bunten Frühlingsstrauß mitgebracht, den sie an die junge Schwester weitergab. »Sind Sie so lieb, Schwester Katrin, die Blumen in eine Vase zu stellen?«
    Die Schwester nickte und verschwand samt Strauß aus dem Appartement.
    »Schön haben Sie es hier«, sagte Michael, während er sich in einen chintzbezogenen Sessel setzte und dachte: Arme Leute waren die Elberts jedenfalls nicht.
    Frau Elbert hatte inzwischen ihm gegenüber Platz genommen. »Ich fühle mich hier auch sehr wohl«, entgegnete sie und fügte mit einem Seufzer hinzu: »Obwohl ich
mich lange Zeit nicht von unserem Haus trennen konnte. So ein schönes Haus. Mein Hubert - Gott hab ihn selig - und ich haben es so sehr geliebt. Aber erzählen Sie, junger Mann, was führt Sie zu mir?«
    Zunächst einmal stellte er sich vor und sagte dann: »Ich bin gekommen, weil …«
    Weiter kam er nicht, denn Frau Elbert fiel ihm ins Wort: »Weil Sie meine Lucia kannten, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte er, »aber nur flüchtig, und ich kannte auch Ihre Enkelin Lisa Marie.«
    »Meine Enkelin Lisa Marie?« Erstaunt schüttelte Frau Elbert den Kopf, als Schwester Katrin mit den Blumen zurückkehrte und diese auf den Tisch stellte.
    »Bitte nicht auf den Tisch. Sie werden hübscher aussehen auf dem Sideboard«,

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