Puppentod
fragte Rudolf, während er den Weißwein in die dafür bereitgestellten Gläser goss. »Wie können Sie dann in der Karibik Tauchlehrerin sein?«
»Dass ich in München lebe, ist richtig«, erklärte sie ihm. »Aber ich wollte meinen Wohnsitz ganz in die Karibik verlegen, nachdem ich schon drei Monate dort gearbeitet habe.«
»So, so«, knurrte Rudolf. »Als Tauchlehrerin.«
»Ja.« Sie lächelte. »Vorher war ich Yogalehrerin, aber das Tauchen macht mir auch sehr viel Spaß.«
»Yogalehrerin«, rief Hilde entzückt und erzählte von ihrer Freundin Renate, die jede Woche einen Yogakurs besuchte.
»Wann werden Sie denn Ihren Wohnsitz in die Karibik verlegen?«, fragte Rudolf.
»Das weiß sie noch nicht«, antwortete Michael wie aus der Pistole geschossen.
Überrascht sah Lisa ihn an.
»Ach ja«, seufzte Hilde. »Die Karibik muss wirklich wunderschön sein. Weiße Strände, Palmen und das Meer. Ich würde mir das alles gern einmal anschauen.«
»Was willst du denn dort?«, brummte Rudolf. »Den ganzen Tag dasitzen und aufs Wasser schauen kannst du auch hier.«
Sie seufzte leise.
»Mein Mann fährt nicht gern in den Urlaub«, erklärte sie Lisa. »Er mag das nicht. Und Fernreisen macht er erst recht nicht.«
Rudolf räusperte sich als Zeichen dafür, dass Hilde das Thema wechseln sollte. Doch sie überhörte ihn und fuhr fort: »Sie werden es mir nicht glauben, aber ich könnte drohen, ihn zu verlassen …«
Er warf ihr einen entrüsteten Blick zu.
»… selbst dann würde er nicht mit mir in den Urlaub fahren. So ist es doch, nicht wahr, Rudolf?«
»Mag sein«, entgegnete er und wandte sich ebenfalls an Lisa. »Nur verlassen wird meine Frau mich deshalb nicht, denn wie sagte schon Picasso …«, süffisant lächelnd vervollständigte er den Satz, »einen Mann wie mich verlässt man nicht.«
»Trotzdem aber hat Françoise Gilot es getan«, erwiderte Lisa.
Jetzt wurde es still im Esszimmer, und Rudolf zog erstaunt die Augenbrauen nach oben.
Dass Lisa sich mit Picasso auskannte, schien ihn sehr zu überraschen. Allerdings nicht nur ihn. Auch Michael war darüber sehr erstaunt.
»War das 1952?«, fragte Rudolf spitz, um zu testen, wie gut ihr Wissen tatsächlich war.
»Dreiundfünfzig«, antwortete Lisa. »Sie verließ ihn 1953. Nach genau zehn Jahren, und die beiden Kinder nahm sie mit.«
»Sie kennen sich gut aus«, stellte Rudolf fest. »Sie scheinen ein richtiger Picassofan zu sein.«
Sie lachte. »Kein Fan, eher eine Art stille Liebhaberin.«
In Rudolfs Augen blitzte es kurz auf, und er lächelte geheimnisvoll, als er sagte: »Dann werde ich Ihr Herz höherschlagen lassen. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen.«
»Aber Rudolf, doch nicht jetzt«, protestierte Hilde. »Frau Beckstein wird jeden Moment die Suppe bringen.«
»Ich glaube nicht, dass die junge Dame bis nach dem Essen warten will«, erwiderte Rudolf, während er aufstand. Die Vorfreude stand ihm ins Gesicht geschrieben. Endlich gab es wieder einmal jemanden, dem er seine Sammlung präsentieren und seine Geschichten erzählen konnte.
Er bot Lisa seinen Arm an und führte sie in sein Heiligtum. Dort genoss er sichtlich ihr überschwängliches Staunen, und sein Stolz war grenzenlos, als sie ausgerechnet vor seinem Lieblingsbild stehen blieb.
»Das ist ja Jacqueline mit Hut !«, rief sie verblüfft. »Sind Sie etwa der Eigentümer?«
»Sie kennen es?«, fragte Rudolf und konnte seine Eitelkeit kaum verbergen.
»Selbstverständlich«, entgegnete Lisa. »Jeder, der sich nur im Geringsten für Picasso interessiert, kennt es. Ich habe es im Katalog von Sotheby’s gesehen, es gehört zu den Bildern, die nach Picassos Tod auf Schloss Vauvenargues gefunden wurden.«
»Hut ab«, rief Rudolf zutiefst beeindruckt.
»Soviel ich weiß, haben sich mehrere berühmte Sammler um das Bild gerissen«, sagte Lisa. »Interessierte sich nicht sogar Heinz Berggruen dafür?«
Michael grinste in sich hinein. Damit hatte sie seinen Vaters nun endgültig auf ihrer Seite.
»Ich habe es ihm vor der Nase weggeschnappt«, antwortete Rudolf hämisch.
»Es ist ganz wundervoll«, bestaunte Lisa das Bild und wandte sich dann dem nächsten zu. »Heißt dieses nicht Picknick am Mont Saint-Victoire ?«
»Wow!«, rief Rudolf. »Sie kennen sich wirklich verdammt gut aus.«
Sie lächelte bescheiden. »Nur weiß ich nicht mehr, wann es gemalt wurde.«
»1958«, erklärte er ihr. »Kurz nachdem Picasso das Schloss Vauvenargues gekauft hat. Jacqueline mit Hut
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