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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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schon zu verlieren? War Lisa erst einmal in der Karibik, verlief ihre Beziehung buchstäblich im Sande, und das durfte er nicht zulassen. Deshalb musste er alles versuchen. Nur er musste es schnell tun, sonst war es zu spät.
    Skeptisch betrachtete er den Autoschlüssel, der vor ihm auf dem Tisch lag. Es kribbelte in seinen Händen, doch noch zögerte er. Aus Angst, sich zu blamieren? Weil sie vielleicht Nein sagen könnte? Oder bedeutete ein solch überstürzter Antrag nicht doch eine Spur zu viel Abenteuer? Wovor schreckte er zurück? Vor seiner eigenen Courage?
    Sicherheiten gibt es nie, redete er sich ein. Schon Paulo Coelho hatte gesagt, dass man im Leben immer mit einem Fuß im Märchen und mit dem anderen am Abgrund steht.
    Abenteuer hin oder her. Es war an der Zeit, einmal etwas Verrücktes zu tun. Im Märchen siegte immer die Liebe. Wieso sollte das im wirklichen Leben nicht auch möglich sein? Wer nichts wagte, der konnte auch nichts gewinnen.

11
    Seit einer Stunde saß Lisa wie versteinert neben ihrer gepackten Reisetasche. Ohne Unterbrechung starrte sie den Wecker an, der vor ihr auf dem Tisch stand. Sie registrierte jede einzelne Bewegung des Zeigers und zählte dabei die Minuten mit. In siebeneinhalb Stunden ging ihr Flieger. Und noch gab es kein Zeichen von Michael.
    Doch sie musste ruhig bleiben und einen kühlen Kopf bewahren. Es war erst halb zehn. Eine weitere Stunde wollte sie noch warten, bevor sie den nächsten Schritt überlegte. Es gab einen Plan B und einen Plan C. Daran durfte sie jetzt aber noch nicht denken.
    Yoshitoki hatte sie gelehrt, niemals vorschnell aufzugeben. Mancher Kampf wurde erst in letzter Minute entschieden. Ihr blieben noch siebeneinhalb Stunden. Es konnte noch viel passieren. Sie durfte nicht ungeduldig werden. Ungeduld nahm ihr die Kraft zur Konzentration.
    Sie atmete tief durch und umklammerte fest das Kreuz an ihrer Kette. Nichts war verloren. Auch wenn Michael nicht kam, ging das Spiel weiter, nur mit einer kleinen Verzögerung.
    Sie sah noch immer zur Uhr. Sie hatte den Wecker nicht eine einzige Sekunde aus den Augen gelassen. Die Zeiger schritten erbarmungslos voran. Die Zeit war nicht aufzuhalten. Niemand konnte das.
    Sie hatte noch siebeneinhalb Stunden. Wenn Gott auf ihrer Seite war - und das war er -, dann würde Michael Westphal kommen.
    In diesem Augenblick klingelte es.

12
    Wie ein begossener Pudel stand Michael vor der Tür des Appartements und wartete darauf, dass ihm geöffnet wurde. War Lisa schon weg? Kam er zu spät? Aber das war doch unmöglich.
    Er klingelte wieder und wieder und wollte die Hoffnung gerade aufgeben, als plötzlich die Tür aufging. Er war so froh, sie zu sehen.
    Sie hingegen wirkte sehr überrascht. Sie hatte nicht mit ihm gerechnet, das merkte er ihr an.
    Er stürmte an ihr vorbei, riss ihren Mantel von der Garderobe, gab ihr einen Kuss und sagte: »Weißt du eigentlich, dass ich dich liebe? Und dass ich nicht vorhabe, dich gehen zu lassen?«
    »Wie bitte?«, sagte sie.
    »Ich werde dich nicht gehen lassen«, wiederholte er entschlossen und freute sich, als er sah, wie verwirrt und durcheinander sie war.
    »Wie willst du das anstellen?«, wollte sie wissen.
    Er lachte. »Wart’s ab.«
    Dann hielt er ihr den Mantel auf, und sie schlüpfte hinein.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
    »Es wird nichts verraten«, antwortete er, schob sie aus der Wohnung und zog sie im Eiltempo die Treppe hinunter.
    Unten angekommen, stellte er fest, dass sein Wagen begehrtes Objekt einer Politesse geworden war - zu Recht, denn er parkte in der zweiten Reihe und behinderte somit erheblich den Verkehr. Doch es war nirgendwo ein Parkplatz frei gewesen, und aus Angst, Lisa zu verpassen,
hatte er sein Auto dort abgestellt. Sonst wäre seine Zukunft letztendlich nicht an seinem fehlenden Mut, sondern an einem nicht vorhandenen Parkplatz gescheitert.
    Dass er einen Strafzettel verdiente, war unbestritten, jedoch ließ die Politesse sich mit dem Ausstellen entsetzlich viel Zeit. So lange konnte er leider nicht warten. Deshalb zückte er seinen Geldbeutel, zog einen Fünfzigeuroschein heraus - den einzigen Schein, den er bei sich trug - und drückte ihn der verblüfften Frau in die Hand.
    »Der Rest ist für Sie!«, rief er, während er in sein Auto einstieg. Er gab Lisa, die bereits auf dem Beifahrersitz saß, noch schnell einen Kuss, startete den Wagen und rauschte mit ihr davon.
    Nur wenig später hielt er vor dem eleganten Juweliergeschäft Hofstetter

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