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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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Sohn.«
    »Das ist schon in Ordnung«, rief Michael ihm zu. »Kommen Sie herein, Herr Schuster. Mein Vater und ich waren gerade fertig.«
    »So, waren wir das?«, brummte Rudolf wutschnaubend und sagte beim Hinausgehen zu Herrn Schuster: »Wenn Sie schon einmal da sind, dann informieren Sie meinen Sohn doch auch gleich über das Meeting von heute Morgen. Er hatte ja Besseres zu tun, als daran teilzunehmen.«
    Kopfschüttelnd sah Michael seinem Vater nach.
    »Was gab es denn in diesem Meeting so Wichtiges zu besprechen?«, fragte er Herrn Schuster, nachdem dieser sich auf einen der schwarzen Lederstühle vor Michaels Schreibtisch gesetzt und eine rote Mappe darauf abgelegt hatte.
    »Es ging um die Fabrik, die Ihr Vater in Schanghai bauen möchte. Mr Ming hat Kontakte zu einigen wichtigen Regierungsleuten aufgenommen. Es gibt wohl inzwischen detaillierte Pläne. Ihr Vater meinte, bis Jahresende wird die Fabrik stehen.«
    Michael glaubte, sich verhört zu haben. Wieso besprach sein Vater solche Dinge nicht zuerst einmal mit ihm? Ging es darum, rund um die Uhr für die Firma da
zu sein, galt er als der zukünftige Geschäftsführer; bei den Entscheidungen für die Zukunft hingegen war Michaels Meinung nicht gefragt.
    Manchmal, so überlegte er missmutig, würde er den Job hier am liebsten hinwerfen und seinen eigenen Weg gehen.
    Er hing seinen trüben Gedanken nach, während Martin Schuster die Mappe öffnete und verschiedene Testbogen vor Michael auf den Tisch legte. Es waren die Ergebnisse einer zusätzlichen Testreihe, die Michael für das neue Medikament Strycon in Auftrag gegeben hatte.
    »Was sagen Sie zu diesen neuen Ergebnissen?«, wollte Martin Schuster wissen. »Ist das nicht …«, er suchte nach einem Wort, »… eigenartig?«
    Michael warf kurz einen Blick auf die Testbögen. Er konnte Herrn Schuster im Moment nicht folgen.
    Der Chemiker schien das zu bemerken und fragte: »Haben Sie meine E-Mail nicht gelesen?«
    »Ich bin eben erst gekommen«, entschuldigte sich Michael. »Worum geht es? Klären Sie mich auf. Was macht Sie so stutzig?«
    »Wenn ich das wüsste«, sagte Herr Schuster und strich sich durchs Haar. »Ich habe die Testbögen auch heute Morgen erst bekommen. Aber irgendetwas stimmt nicht.«
    »Dr. Kolberg hat doch alles abgezeichnet«, erwiderte Michael erstaunt. Er verstand nicht, was Herr Schuster meinte.
    Geistesabwesend sammelte Martin Schuster die Bogen wieder ein, legte sie zurück in die Mappe und gab diese Michael.

    »Ich habe alles für Sie kopiert und möchte Sie bitten, es sich in Ruhe anzuschauen. Ich prüfe auch noch einmal alles gründlich. Wenn mir etwas auffällt, melde ich mich.«
    Michael nickte und nahm die rote Mappe entgegen. Nachdem Martin Schuster gegangen war, legte er die Mappe in eine Schreibtischschublade. Er wollte sich in den nächsten Tagen ausgiebig damit beschäftigen. Im Augenblick aber fehlte es ihm an der notwendigen Konzentration. Der bevorstehende Abend, an dem er Lisa seinen Eltern vorstellen würde, bereitete ihm recht viel Kopfzerbrechen.

    Als Michael mit der Fernbedienung das schmiedeeiserne Tor öffnete und den mit Laternen beleuchteten Kiesweg zur Villa entlangfuhr, wurde Lisa plötzlich ganz still. Sie hatte schon während der gesamten Autofahrt sehr wenig gesprochen und wirkte hoch konzentriert. Erstaunlicherweise aber ausgesprochen ruhig und überhaupt nicht aufgeregt. Trotzdem glaubte Michael, dass sich hinter dieser scheinbaren Ruhe eine unglaubliche Nervosität verbarg.
    Oder ging ihr im Kopf herum, was er eben über seinen Vater erzählt hatte?
    Er parkte den Wagen direkt vor dem Haus. Als er Lisa beim Aussteigen half, bemerkte er, dass ihre Hand eiskalt war. Sie war also doch aufgeregt. Das wäre er an ihrer Stelle auch. Gerade als er ihr ein paar liebevolle, beruhigende Worte sagen wollte, wurde bereits die Haustür geöffnet. Natürlich weder von seinem Vater, der niemals
selbst zur Tür ging, noch von seiner Mutter, die das bei offiziellen Anlässen auch nicht durfte, sondern von Frau Beckstein, der Haushälterin. Die musste, wenn Gäste kamen, länger bleiben, damit sein Vater zeigen konnte, dass er Hauspersonal hatte.
    Sie traten in den geräumigen Empfangsbereich. Weiße Garderobenschränke, Sideboards und Spiegel ließen die Eleganz erahnen, mit der Hilde Westphal die Villa eingerichtet hatte.
    Wie erwartet war von seinen Eltern weit und breit keine Spur. Dass seine Mutter sich nicht freiwillig so verhielt, wusste Michael. Es war die

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