Puppentod
inmitten der Münchner Innenstadt. Diesmal parkte er einfach im Halteverbot. Besondere Umstände erforderten besondere Maßnahmen, fand er.
Sie überquerten die Straße, und als sie vor dem Juweliergeschäft standen, fragte Lisa: »Was tun wir hier?«
»Das wirst du schon sehen.« Michael lächelte geheimnisvoll und legte den Arm um ihre Schultern. Dann betraten sie den Laden.
Die Atmosphäre war distinguiert, die Einrichtung sehr exquisit. Zwischen dunklen Möbeln und oval geformten Glasvitrinen, in denen es glitzerte und funkelte, standen etliche Verkaufstische und davor jeweils zwei Sessel mit rotem Samtüberzug. Es waren viele Menschen da, fast alle Tische waren besetzt, trotzdem aber ging es sehr
ruhig zu. Nur leises Gemurmel war zu hören und hin und wieder der entzückte Seufzer einer Kundin.
Es dauerte keine Minute, da schoss auch schon Herr Hofstetter, ein kleiner Mann mit lichtem Haar, der seine untersetzte Statur mit sehr eleganter Kleidung kaschierte, höchstpersönlich auf sie zu.
Überschwänglich begrüßte er Michael und sofort darauf auch Lisa, die er mit gnädige Frau ansprach. Leicht verwundert zog sie die Augenbrauen nach oben.
Dann wandte er sich wieder an Michael und erkundigte sich nach dem Befinden der werten Frau Mama.
»Es geht ihr sehr gut«, antwortete Michael und fügte in Gedanken hinzu: Noch!
Denn sie wusste nichts von seinen Plänen. Es war aber nicht sicher, ob überhaupt alles so kam, wie er es wollte. Das lag ganz allein bei Lisa.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Westphal?«, fragte Herr Hofstetter freundlich.
»Ich möchte der jungen Dame einen Ring schenken«, antwortete Michael.
Entsetzt sah Lisa ihn an. Ihr Blick schien zu fragen, ob er noch bei Trost sei, und als Herr Hofstetter sie daraufhin bat, an einem der Verkaufstische Platz zu nehmen, hatte Michael größte Bedenken, sie würde sich einfach umdrehen und gehen. Deshalb drückte er sie sanft in einen der Sessel hinein, setzte sich schnell neben sie und ergriff ihre Hand. Somit hatte er sie erst mal daran gehindert, diesen Ort gleich wieder zu verlassen.
Eine Dame im schwarzen Kostüm servierte Kaffee und Tee von einem silbernen Tablett, während Herr Hofstetter
die ersten Schmuckstücke präsentierte. Dabei wären andere Frauen wahrscheinlich in pure Verzückung geraten, Lisa aber betrachtete die Ringe, ohne ihre Miene zu verziehen. Trotzdem gab Herr Hofstetter sich die größte Mühe.
»Schauen Sie sich dieses wundervolle Stück an«, versuchte er Lisa für einen Ring mit drei Diamanten zu begeistern und steckte ihr diesen an den Finger. »Wie für Sie gemacht, gnädige Frau, er steht Ihnen ausgezeichnet. Was meinen Sie dazu, Herr Westphal?«
»Wirklich sehr schön«, bestätigte Michael und fragte Lisa: »Gefällt er dir?«
Sie zuckte mit den Schultern. Herr Hofstetter machte ein betretenes Gesicht.
»Er gefällt dir also?«, hakte Michael nach.
»Ich weiß nicht …«, erwiderte sie zaghaft.
»Er gefällt ihr«, sagte Michael zu Herrn Hofstetter.
Der lächelte zufrieden, während Michael nun den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt.
Im Job hatte er gelernt, dass Schnelligkeit zum Erfolg führte. Darauf musste er jetzt einfach vertrauen. Also los, dachte er und spürte das Adrenalin in seinem Körper. Sein Herz schlug in Höchstgeschwindigkeit, als er plötzlich aufsprang, vor Lisa niederkniete und ihre Hand ergriff, an der noch immer der Ring steckte.
»Lisa, ich liebe dich. Willst du mich heiraten?«, rief er.
Sie starrte ihn an, als sei er ein Wesen von einem anderen Stern. Ebenso starrte Herr Hofstetter ihn an, und auch die anderen Menschen drehten sich nach ihm um. Alle Augen waren auf ihn und Lisa gerichtet, und in
Herrn Hofstetters Juweliergeschäft herrschte für einen Augenblick absolute Stille.
Lange, furchtbare Sekunden verstrichen, in denen Lisa keine Antwort gab. Ihr Gesicht war wie versteinert.
Wollte sie ihn nicht heiraten? Oder war sie nur verwirrt? Er versuchte, in ihren Augen zu lesen. Freude sah er jedenfalls nicht. Und auch keine Zustimmung. Nicht eine einzige Emotion. Als wären es die Augen einer Puppe. Ein ungutes Gefühl überkam ihn.
Es war ein Fehler gewesen, sie so zu überfahren. Was für Manager galt, war auf Frauen scheinbar nicht übertragbar. Hoffentlich hatte er nun nicht alles zerstört.
Sie schwieg noch immer.
Ihm wurde auf einmal klar: Sie wollte ihn nicht heiraten! Sie wollte zurückfliegen in die Karibik und dort für immer ohne ihn leben. Resigniert
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