Puppentod
das Angst.
Hatte Lisa sich erst einmal eingelebt und fühlte sie sich wohl in ihrem neuen Umfeld, stimmte sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt einer kirchlichen Trauung mit anschließender Feier zu. Vielleicht im Sommer, dachte er. Dann könnten sie ein großes Fest am See veranstalten. Das wäre dann sehr schön.
So willigte er schweren Herzens ein. Er tat es für sie, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte.
»Also lass uns in der Karibik heiraten«, sagte er. »Nur wir zwei allein unter dem weiten Sternenhimmel, begleitet vom Rauschen des Meeres.«
Nun lachte sie, und ihre Gesichtszüge entspannten sich.
»Dann sollten wir jetzt meinen Flug stornieren und den Paketdienst abbestellen. Und ich muss bei Margerita anrufen, um ihr zu sagen, dass sie mein Zimmer vermieten kann, weil ich nicht mehr zurückkomme.«
Michael dachte an das Zimmer in dem einfachen Holzhaus. Das war keine gute Umgebung für Lisa gewesen. In Zukunft hatte sie ein schöneres Zuhause. Vor allem musste sie sich nicht mehr mit Herrn Yoshitoki ein Bad teilen.
»Und wenn wir das alles erledigt haben«, sagte er aufgeregt, »fahren wir sofort zu meinen Eltern. Die werden vielleicht Augen machen. Mama wird sich wahnsinnig freuen, und den alten Brummbär wird glatt der Schlag treffen.«
ZWEITER TEIL
1
Michael hatte einmal gelesen, glücklich zu sein sei, wie auf Wolken zu tanzen. Nun konnte er zum ersten Mal verstehen, was damit gemeint war, denn er fühlte sich im Augenblick richtig überwältigt vor Glück. Nur einen Tag nachdem Lisa seinen Heiratsantrag angenommen hatte, zog sie zu ihm in die Villa. So wurde plötzlich greifbar, was ihm gestern noch wie ein Traum erschienen war.
Lisa allerdings war nicht ganz so euphorisch, das merkte er ihr an. Sie wirkte nervös und angespannt, auch wenn sie sich sehr bemühte, es vor ihm zu verbergen. Doch er verstand, dass die Situation für sie nicht einfach war. Sie hatte alle ihre Pläne über Bord geworfen, um mit ihm eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Obwohl sie ihn erst eine Woche kannte. Das erforderte eine Menge Mut. Einen so vorsichtigen und zurückhaltenden Menschen wie Lisa brachte das mit Sicherheit an seine Grenzen.
Ginge es nach ihm, könnten sie dieses Tempo beibehalten. Dann würde er Lisa noch heute heiraten, morgen mit ihr in den Anbau ziehen und übermorgen mit ihr das erste Kind bekommen.
Familiengründung im Schnelldurchlauf! Er erkannte sich nicht wieder. Er war dreiunddreißig Jahre alt und hatte bisher nicht eine einzige langfristige Beziehung gehabt. Und nun wollte er alles auf einmal. Doch der
Anbau musste erst renoviert werden, und ein Kind brauchte neun Monate, um auf die Welt zu kommen.
Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als geduldig einen Schritt vor den anderen zu setzen. Jetzt wurde geheiratet, und deshalb wollte er schon einmal üben, Lisa über die Schwelle zu tragen. Es war ihm egal, wenn das altmodischer Kram war.
So schnappte er sie, trotz ihres Protestes, stieß mit dem Fuß die Tür zu seinem Zimmer auf und trug sie auf seinen Armen hinein. Dort wirbelte er sie so wild herum, dass ihm fast schwindelig wurde und er beinah mit ihr hingefallen wäre. Doch er war heute schrecklich übermütig.
Als er sie wieder herunterließ, beobachtete er genau ihre Reaktion. Um sie willkommen zu heißen, hatte er sein Zimmer in ein Meer aus roten Rosen verwandelt. Fast dreihundert dunkelrote Rosen mit taufrischen, halb geöffneten Blüten lagen verstreut auf dem Bett, auf dem Teppich, auf dem Sofa und sogar auf ihren fünf Umzugskartons, die schon zum Auspacken bereitstanden. Es war nicht leicht gewesen, in der Kürze der Zeit so viele Rosen zu besorgen. Bis nach München zu einem Großhändler war er gefahren, weil alle von ein und derselben Sorte sein sollten.
Hatte er aber geglaubt, Lisa fiele ihm deswegen jubelnd um den Hals, dann hatte er sich getäuscht. Die Rosen verfehlten ihre Wirkung. In ihrem Gesicht zeigte sich keine einzige Regung, und nicht einmal ansatzweise verzog ihr Mund sich zu einem Lächeln. Er war enttäuscht.
Der Blick auf den See hingegen gefiel ihr.
»Das ist sehr schön«, sagte sie, während sie aus dem Fenster sah. Dann zeigte sie in Richtung Bootshaus und fragte: »Liegt dort unten die Albatros ?«
Er stutzte. Er konnte sich nicht erinnern, den Namen seines Bootes ihr gegenüber schon einmal erwähnt zu haben. Aber woher sollte Lisa ihn sonst kennen?
»Wenn du Lust hast, zeige ich sie dir nachher«, sagte er.
Jetzt huschte
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