Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
hatte er kürzlich erst angefertigt, die man ihm gut bezahlt hatte.
Warum also war er so unzufrieden? Cornelisz starrte hinauf zu den Sternen. Dort, so hieß es, stand die Zukunft geschrieben, seine Berberprinzessin und alle anderen Mauren, die er kannte, waren davon überzeugt. Sie sagten, die Wege jedes Einzelnen seien vorherbestimmt und man könne sie an den Gestirnen ablesen, ihm allerdings hatte man von klein auf das Gegenteil vermittelt.
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Cornelisz musste die anstehende Entscheidung nicht selbst treffen. Anahid eröffnete ihm bereits am nächsten Tag, dieses Haus werde demnächst geschlossen. Sie sei gerufen worden, ihren Platz in der Familie einzunehmen.
Während sie von ihrer Wüstenheimat sprach und davon, welche verantwortungsvollen Aufgaben sie erwarteten, wandelten sie langsam durch den Garten. Anahid strich hier über eine Blüte, wog dort eine reifende Zitrone in der Hand und umrundete das kleine Bassin, in dem, wie jeden Tag, duftende Rosenblüten schwammen. Die Sheïka war ein wenig traurig. Sie nahm offensichtlich Abschied von dem Haus und damit zugleich von ihrer jugendlichen Ungebundenheit. Dabei gab sie sich den Anschein von Ruhe und Gleichmut, wie es einer Sheïka zukam.
Doch Cornelisz durchschaute sie. Obwohl er spürte, dass sie Trost und Ermutigung suchte, etwas, das er ihr mit einer freundschaftlichen Umarmung leicht hätte geben können, hielt er sich fern von ihr. Anahids Ankündigung hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Von der Suche nach einem eigenen Weg zu träumen oder davon, ein erfolgreicher Maler zu werden, oder von irgendwelchen sonstigen Möglichkeiten, die ihm offenstanden, war eine Sache, das Verlassen dieses Hauses aber eine ganz andere. Plötzlich fand er sich auf der Straße wieder! Und dann diese unbequemen, konkreten Fragen: Was sollte er jetzt tun, wohin sollte er sich wenden? Noch nie hatte er allein leben oder für seine Bedürfnisse sorgen müssen, das hatte sich bisher immer von selbst geregelt. Anahid wusste, was auf sie zukam, hatte es immer gewusst, er hingegen verlor gerade den Boden unter den Füßen.
Als er jedoch kurz darauf im ersten Stock einer ordentlichen Taverne zwei Zimmer fand, die über gutes Licht verfügten, fasste er wieder Mut. Er zahlte den Mietzins für zwei Monate im Voraus und schaffte sogleich seine Sachen hinüber. Sein Wirt stattete seine Zimmer mit einem richtigen Bett aus und stellte einen ordentlichen Tisch hinein, auf dem er gut würde malen können. Ein ungewohntes Hochgefühl trug ihn durch die ersten Tage, und so schieden Anahid, die schöne, junge Berberin aus der fernen Wüste, und Cornelisz, der Maler, als Freunde.
Seitdem er Anahids Haus verlassen hatte, war es zwar vorbei mit der Bequemlichkeit, aber Cornelisz fühlte sich hervorragend. Heute hatte er sich sogar dazu überwunden, mit Kapitän Abdallah zum Fischen zu fahren, nachdem er ihm das Versprechen abgenommen hatte, in unmittelbarer Küstennähe zu bleiben. Während die Männer ihre Netze auswarfen, studierte er das Meer und fertigte Skizzen an.
An Bord des Fischerbootes beugte sich Cornelisz über das niedrige Schanzkleid und beobachtete, wie die glitzernde Haut des Meeres unter dem Bug aufbrach und in zwei sprühenden Kaskaden dem Rumpf folgte. Erst weit hinter dem Boot trafen sie als Schaumspur wieder zusammen und markierten noch lange die zurückgelegte Strecke, bis die Wellen die flüchtige Linie auslöschten.
Sie befanden sich bereits auf dem Rückweg und fuhren mit ruhigem Wind die Küste entlang nach Norden. Die Sonne stand hoch und verlieh dem Meer eine perlmutterne, kompakt wirkende Farbe, an der er sicher scheitern würde, dachte er missgelaunt. War das Meer womöglich das Einzige, das sich nicht von ihm malen ließ? Alle anderen Motive hatte er sich nach und nach erobert – die stolzen Lehmburgen, Kasbahs genannt, und die Dörfer zu ihren Füßen, üppig grüne Oasen, Wolken, die Dünen in der Wüste, den Himmel, ganze Landschaften, sogar Leiber und Gesichter. Das Meer jedoch entzog sich ihm. Cornelisz packte seine Kreiden, Pinsel und Farben wieder in den kleinen Kasten.
Kapitän Abdallah gesellte sich zu ihm. Mit einem Blick prüfte er das Segel, den Sonnenstand und die nahe Küstenlinie, die rechter Hand im Dunst erkennbar war. Dann signalisierte er dem Steuermann eine leichte Kurskorrektur. Dieser einfache Mann, dachte Cornelisz, war ein guter Kapitän und ein Fischer, ein Meister auf seinem Gebiet. Er hingegen war von Meisterschaft weit
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