Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
dennoch wie zufällig wirkender kompositorischer Aufbau, der Spannung und Harmonie gleichermaßen ausdrücken konnte. Bisher hatte er die neue Malweise lediglich an unbedeutenden Bildern erprobt, wie einigen Zeichnungen und Skizzen von Fischern und Tagelöhnern. Von diesem Auftrag aber, dem Porträt des Statthalters, erwartete er, dass es sich auszahlte, und zwar nicht nur künstlerisch. Dazu war es notwendig, zunächst Dom Franciscos Vertrauen zu gewinnen und ihn zu überzeugen, sich auf die Vorstellung seines Porträtisten einzulassen. Denn vermutlich würde der Portugiese eine herrschaftliche, pompöse oder gar kriegerische Pose vorschlagen, die seine Wichtigkeit als Statthalter unterstrich. Dom Francisco liebte Allegorien. Je dicker man auftrug, desto besser, das war Cornelisz seit ihrem ersten Gespräch klar. Es lag also an seinem diplomatischen Geschick, den Portugiesen davon zu überzeugen, wie viel mehr Glaubwürdigkeit von einer natürlichen Darstellung ausging. Wie weit musste er dem Mann wohl entgegenkommen, wie sehr ihm schmeicheln, ohne dabei die eigene Idee zu verraten?
» Zunächst lasst uns überlegen: Wünscht Ihr Leinwand oder Holztafel?«, begann Cornelisz. » Nein, verzeiht, wenn ich es recht bedenke, so werdet Ihr Leinwand vorziehen. Das ist zwar kostspieliger als das gewöhnliche Holz, auch weil ich bei einem Leinwandgrund mit feineren Farbnuancen und Pinseln, also etwas teureren Materialien, arbeiten muss. Doch immerhin hat sogar Euer substituto, Senhor de Sorrámo, sein Porträt bereits auf Leinwand anfertigen lassen. Vermutlich denkt Ihr ebenso?«
Der Kommandant umrundete seinen pompösen Schreibtisch mit dem überreichen Zierrat aus Gold und Schildpatt und ließ sich in einem Sessel nieder.
» Feiner und genauer, sagt Ihr? Das klingt gut. Und Sorrámo, mein junger Stellvertreter, hat sich ebenfalls für Leinwand entschieden? So, so. Aber wie sieht es mit der Haltbarkeit aus? Ich möchte schließlich nicht erleben, dass mein Porträt eines Tages älter aussieht als ich.« Er lachte herzhaft über seinen Scherz.
Cornelisz lachte höflich mit. » Keine Sorge, Governador. Übrigens verwenden die großen Maler Italiens mittlerweile nur noch Leinwand, es ist, wie soll ich sagen, moderner.«
» Nun gut, werter mestre, also Leinwand. Und die Größe? Die Pose? Als königlicher Statthalter sollte ich vielleicht anders dargestellt werden als meine untergeordneten Beamten, nicht wahr? Wichtiger und bedeutsamer, mehr meinem Amte angemessen, wenn Ihr versteht. Habt Ihr vielleicht eine Anregung?«
Cornelisz nahm einen Schluck von dem jungen Wein, den ein Diener soeben servierte. Jetzt kam es darauf an. » Auf meinen Reisen in Italien sah ich eine Menge guter Gemälde, Governador, wirklich hervorragende, und ich stellte fest, dass man heutzutage eher mit subtilen Andeutungen arbeitet. Besonders bei Porträts ist das so. Man malt sie leichter und feiner als noch vor Jahren, und gerade dadurch erzielt man einen bleibenden Eindruck. Eines Tages entdeckte ich in Genua ein ganz hervorragendes Bildnis. Zunächst schien es unauffällig, bei genauerem Hinsehen jedoch entpuppte es sich als die perfekte Heldendarstellung. Bei dieser Arbeit eines flämischen Malers spürte man die Last der Verantwortung auf den Schultern des dargestellten Mannes, aber auch seinen Willen zur Macht. Das Bild zeigte den Fürsten von Genua, den großen Andrea Doria.«
Dom Francisco klingelte nach dem Diener und verlangte Obst und Gebäck. » Fahrt fort, lieber mestre, ich bin ganz Ohr.«
» Dieses Porträt – der Fürst saß in einem purpurnen Sessel, fast wie auf einem Thron – strahlte Kraft aus, Stärke und Würde, und dennoch schlug es mich besonders durch seine Natürlichkeit in den Bann.« Hatte er die richtigen Worte gefunden? Der Gouverneur ließ die Hand über einem Teller mit Trauben schweben, als erfordere die Auswahl der Früchte seine gesamte Aufmerksamkeit.
» Es handelte sich um ein Halbporträt in einem Sessel ähnlich dem, in dem Ihr jetzt sitzt«, fuhr Cornelisz eilig fort. » Er hatte den Blick dem Betrachter zugewandt, ein kühler, fast strenger Blick, und hinter ihm sah man auf den Hafen voller Kriegsschiffe. Zutiefst beeindruckend.«
» Man kann zu Doria stehen, wie man mag, aber was Ihr da schildert, klingt in meinen Ohren ganz nach dem Bildnis eines großen Strategen und überlegenen Anführers, oder?«
Er hatte also doch aufmerksam zugehört. » Ganz recht, diesen Eindruck hatte ich durchaus«,
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