Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
entfernt. Cornelisz seufzte. Sein Unvermögen, das Meer in seiner Rätselhaftigkeit zu erfassen und zu malen, machte ihn wütend. Mit sich selbst hadernd starrte er auf die See hinaus.
Erstmals hatte er das Gefühl, über sein Leben selbst bestimmen zu können, nur was half ihm das, wenn er sich fragen musste, ob er mit seiner Malerei in diesem wüstenhaften Land überhaupt eine Zukunft hatte? Nicht nur, dass die islamische Religion die Abbildung des Menschen verbat, die Leute hierzulande hatten überhaupt kein Interesse an Malerei. Deshalb fand er jenseits der kleinen Gruppe portugiesischer Verwaltungsbeamten auch keine Kunden. Sollte er nicht doch besser nach Flandern heimkehren? Vieles sprach dafür, auch die dort lebenden großartigen Maler, deren Kunst er gern studiert hätte.
Er spielte durchaus mit diesem Gedanken, obwohl er wusste, einer Heimkehr stand das missglückte Heldenstück seines Vaters entgegen. Und was wäre mit Italien, überlegte er, wären Florenz oder Venedig vielleicht die richtigen Orte für ihn? Die erfolgreichsten Maler dieser Städte unterhielten große Werkstätten, und in einer von ihnen gab es vielleicht einen Platz für ihn. Er seufzte. Wofür er sich irgendwann entscheiden würde, stand in den Sternen, sein Dasein auf Erden bestand vorerst aus Porträts und kleinen Landschaften.
Als Nächstes wartete ein Auftragsbild, das der Gouverneur von Santa Cruz für ein Jubiläum bestellt hatte. Wieder ein Porträt und diesmal sogar in voller Amtstracht. Es wurde nachgerade Mode unter den portugiesischen Beamten, sich von ihm porträtieren zu lassen. Von der kleinen Miniatur, die man der Familie ins Mutterland schicken konnte, bis zum Tafelbild für die eigene Residenz reichten inzwischen die Aufträge. Schon längst hätte er mit dem Bild für den Governador beginnen sollen, der Portugiese war zwar für seine Großzügigkeit, nicht aber für seine Geduld bekannt. Ihn zu verärgern wäre äußerst unklug, besonders, da er zum ersten Mal selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen musste. Seine Meeresstudien mussten also wohl oder übel warten.
Kapitän Abdallah neben ihm räusperte sich vernehmlich und spuckte ins Wasser.
» Benutzt du eigentlich keinen Kompass?«, begann Cornelisz das Gespräch, eine Zerstreuung, die dem Fischer bei ruhiger See stets gelegen kam.
» Allah, sein Name sei gepriesen, sagt, man soll die Alten ehren«, holte der Kapitän aus, » denn schon seit Jahrhunderten haben sie ihre Schiffe sicher gesteuert. Bei guter Sicht mache ich es deshalb wie sie und halte die Fatima lieber in Sichtweite der Küste. Manche Kapitäne glauben ja immer noch, das Spiel der Magnetnadel sei Zauberei oder die Wassergeister würden Schabernack damit treiben.« Er lehnte an der Bordwand und lächelte überlegen. » So etwas glaube ich natürlich nicht. Aber ich habe schließlich gelernt, dass große Mengen Eisen, wie zum Beispiel der Anker, die Kompassnadel verwirren und aus ihrer natürlichen Richtung bringen können. Das Land hingegen ist stets dort, wo es sein soll und wo es immer war, Allah sei Dank. Neues nutzen und das Alte darüber nicht vergessen, so halten es wohl alle guten Seeleute.«
» Du bist ein weiser Mann, Abdallah. Sag mir, wie kommt es, dass das Wasser manchmal so friedlich auf uns wirkt, während wir doch genau um seine Zerstörungskraft wissen?«
Der Kapitän überlegte nicht lange. » Soll ich dir erklären, wie es dazu kam, dass Allah die Sintfluten schickte, Sîdi? Es war nämlich keineswegs der Regen, der die Länder überflutete, wie alle Welt denkt, es war vielmehr das Meer. Wie sogar du als Fremder aus dem fernen Norden weißt, ist die Erde eine Kugel und ihre Oberfläche demzufolge gewölbt. Und du weißt ebenfalls, dass das Wasser immer aus der Höhe in die Tiefe fließt, nicht wahr?« Abdallah hob seinen Finger: » Ja, so ist es. Ist nun Allah, der Allmächtige, der Allwissende mit den Menschen zufrieden, so hält er die Wasser im Zaum. Ist er aber voller Zorn, so lässt er sie los und zieht seine Hand zurück. Dann stürzt alles Wasser von der Höhe herab, überflutet die Küsten und alles Land und löscht das Leben aus.« Dazu grinste er und zwinkerte, dass sich sein braungebranntes Gesicht in tausend Fältchen legte.
Cornelisz lachte. » Ich bin froh, dass Allah derzeit offenbar an uns Menschen nichts auszusetzen hat!« Dann zog er ein Blatt und seinen kleinen Kasten mit Stiften, Pinseln, Kreiden und Kohlestückchen hervor. » Nur einen Moment,
Weitere Kostenlose Bücher