Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Kapitän«, bat er und begann sogleich mit der Grundierung. Er streute Holzasche über das Blatt, sammelte Speichel und spuckte mehrmals auf das Papier. Dann verrieb er die Mischung gleichmäßig, damit sich die Linien des Kohlestiftes später besser hervorhoben. Mit flinken Strichen begann er zu zeichnen. Die Umrisse des Kapitäns, die bescheidenen Aufbauten des Schiffes, einige Schatten und die Kohle mit dem Finger verwischt, schon war ein Bild entstanden. Mit wenig Ultramarinblau ergänzte Cornelisz den Hintergrund, um Himmel und Meer anzudeuten. Anschließend verfuhr er ebenso mit Kreide und fein gemahlenem Ocker für die Gesichtsfarbe, den Mast und das Deck, ehe er weitere feine Schraffuren hinzufügte, um Licht und Schatten zu erzeugen.
Kapitän Abdallah sah ihm bei der Arbeit zu, die die Wirklichkeit überaus gut getroffen hatte, und lobte: » Sîdi, deine Hand ist wendig und geschickt wie ein Tümmler auf der Bugwelle!«
Gute Zeichnungen mit schnellem Strich waren keine Kunst, die eigentlichen Schwierigkeiten lagen in der Ölmalerei, besonders bei Porträts, dachte Cornelisz am nächsten Morgen. Und ganz besonders, wenn es sich dabei um den offiziellen Auftrag eines Beamten der Krone handelte! Er verzog das Gesicht. Aber es half nichts, er musste sich an die Arbeit machen, seine Kasse war bald leer.
Seine Kleidung war zurzeit nicht gerade präsentabel. Deshalb lieh sich Cornelisz vom Wirt eine frische djellabah, suchte den Barbier auf und machte sich schließlich auf den Weg zur Festung, dem Amtssitz von Dom Francisco des Castos, dem Herrn von Santa Cruz, königlichen Statthalter und Gouverneur, Richter, Steuereintreiber und Hafenkommandanten.
Durch lange Flure wurde er vor den Majordomus der Residenz geführt, der ihn mit kühler Arroganz empfing. » Es wäre ratsam gewesen, Ihr hättet Euch angekündigt, Senhor van Lange. Dom Francisco erwartete Euch schon vor Wochen, und es ist nicht gesagt, dass er gerade jetzt Zeit findet, Euch für ein Bild zu sitzen. Immerhin gibt es neuerliche Überfälle der Sa’adier, und wir, ich meine, Dom Francisco muss sich dringend mit diesen Reiterhorden aus der Wüste befassen.«
Cornelisz kannte den Mann, der ihn mit seinem spitznasigen Gesicht unter dem beinahe kahlen Kopf und seiner graubraunen Kleidung an einen Geier erinnerte. Er mischte sich gern in Dinge, die ihn nichts angingen, und war allgemein unbeliebt. Dennoch führte an ihm kein Weg vorbei, er hatte Macht und Einfluss, hier wie auch am Hofe in Lissabon.
» Dann solltet Ihr ihn schnellstens von meinem Eintreffen in Kenntnis setzen«, erwiderte Cornelisz mit Bestimmtheit. » Heute beanspruche ich nur wenig seiner kostbaren Zeit.« Vermutlich erwartete der Mann ein wenig Schmiergeld, damit er ihn zum Gouverneur vorließ. Doch selbst wenn sein Geldbeutel das zugelassen hätte, hatte Cornelisz nicht vor, sich auf diese in der Festung offenbar gebräuchliche Sitte einzulassen.
Der Gouverneur und oberste Zolleintreiber des jungen portugiesischen Königs für die Besitzungen entlang der marokkanischen Küste hatte indessen Zeit für seinen Maler. Mit ausgebreiteten Armen und über das ganze Gesicht strahlend eilte er Cornelisz entgegen und begrüßte ihn herzlich.
» Willkommen, lieber mestre, willkommen! Wie schön, Euch munter und voller Tatendrang zu sehen. Ich lasse sogleich einen guten Tropfen bringen. Bitte, nehmt Platz. Ich war mir sicher, Ihr konntet Eure Zusage, ein Gemälde von mir anzufertigen, nicht vergessen haben, und freue mich, dass wir nun endlich damit beginnen werden.«
Cornelisz wusste, Dom Francisco war freundlich, geradezu überschwänglich, doch schwer durchschaubar. Dem Aussehen nach wirkte er wie ein gemütlicher Gutsherr vom Lande, dabei gehörte er dem Hochadel an. Er war seinem König bedingungslos treu, was ihn allerdings nicht daran hinderte, sich Gefälligkeiten in klingender Münze honorieren zu lassen.
Mit diesem Porträt würde Cornelisz versuchen, künstlerisch neue Wege zu beschreiten, bei einem offiziellen Auftrag eine heikle Sache. Schon seit langem schwebte ihm vor, von dem Überkommenen abzuweichen und alles, vom Hintergrund bis zur Darstellung von Gesicht und Körperhaltung, nach der Natur anzulegen. In Italien hatte er dazu zahlreiche, wundervolle Beispiele gesehen. Am natürlichen Aussehen eines Menschen war schließlich nichts falsch oder trügerisch, hatte er gelernt, an symbolhaftem Gepränge hingegen schon. Als Grundform schwebte ihm ein Dreieck vor, ein klarer,
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