Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
konnten. Während sie wartete, dass die Mischung heiß wurde, lehnte sie sich gegen die Wand, streckte den schmerzenden Rücken und legte beide Hände auf den Bauch. Seit kurzem spürte sie das Kind im Leib, flüchtige, beinahe unmerkliche Bewegungen, gerade so, wie es Aisha vorhergesagt hatte. Zärtlich strich sie über den Bauch und summte dazu eine kleine Melodie. Wie würde ihr Kind sein? Was für ein Mensch wuchs in ihr heran?
» Du sollst dich nie, nie allein fühlen«, flüsterte sie vor sich hin und lächelte dabei. » Ich werde dich wie die schwarzen Arbeiterinnen in einem Tuch auf dem Rücken tragen und stets bei mir haben, Tag und Nacht. Ich will dich all die Dinge lehren, die ich weiß, und ich will dich behüten und schützen und niemals verlassen.« Sie hielt den Kopf ein wenig geneigt, als warte sie auf eine Antwort.
Während sie noch so in sich hineinlauschte, hörte sie von draußen ihren Namen. Verstohlenes, unterdrücktes Gemurmel drang durch das schmale Fenster oben an der Wand. Plötzlich wurden die Stimmen lauter, und Mirijam konnte die Worte verstehen.
» Was Lâlla Azîza betrifft, wirst du wohl am besten Bescheid wissen, der Hakim aber ist schon längst kein nasrani, kein Christ , mehr«, sagte gerade eine Männerstimme. » Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Der Prophet, sein Name sei gepriesen, hat ihm bereits vor vielen Jahren den Weg zu Allah und zum rechten Glauben gewiesen.«
» Na eben! Endlich gibst du zu, dass er keiner von uns ist, vielmehr ein unseliger, als Christ getaufter Ungläubiger!«
Welche Feindseligkeit in der Frauenstimme lag, die diese Worte halblaut, aber triumphierend zischte, dachte Mirijam. Sie kam ihr bekannt vor, allerdings hätte sie nicht sagen können, zu wem sie gehörte oder wer da mit wem sprach. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und trat näher zum Fenster.
» Sîdi Mokhbar, der marabout, sagt jedenfalls, alle Fremden müssen ins Meer getrieben werden, von woher sie einst kamen. Das betrifft selbstverständlich auch den Hakim und seine Tochter. Der marabout sagt außerdem, wenn wir als gläubige Muslime siegreich sein wollen, dürfen wir keinerlei Ausnahmen zulassen. Ich bin seiner Meinung, noch dazu, wo Lâlla Azîza gewiss keine Muslima ist. Sie geht schließlich niemals in die Moschee und betet auch nicht im Haus, das würde ich wissen. Bestimmt ist sie insgeheim eine jahudije, eine Jüdin, jedenfalls keine Rechtgläubige. Und außerdem machen die beiden gemeinsame Sache mit den Portugiesen, diesen Hunden. Denk nur an den Kalk, den sie in den verhexten Öfen herstellen und an die Portugiesen verkaufen!«
War das nicht Haditha, die sprach? Aber nein, das bildete sie sich sicher nur ein. Im selben Moment jedoch vernahm Mirijam ein leises Schnauben, wie die Dienerin es immer dann von sich gab, wenn sie verärgert oder mit etwas ganz und gar nicht einverstanden war. Es war Haditha!, dachte Mirijam erschrocken. Schon seit geraumer Zeit stand sie ihr spürbar kritisch gegenüber, eine derartige Feindseligkeit hatte sie allerdings noch nie an ihr bemerkt.
» Und wenn schon«, raunte die männliche Stimme. » Du tust ihnen sicher unrecht. Ich rate dir, lass es sein! Ich jedenfalls will nichts davon wissen.« Der Mann unter dem Fenster versuchte es erneut mit besänftigenden Worten. » Lade keine Schuld auf dich, Frau, indem du den marabout oder die Krieger des Sheïk auf Lâlla Azîza und den Hakim hinweist. Damit würdest du sie dem sicheren Verderben preisgeben!«
Haditha gab keine Antwort. Sicher stand sie wie immer, wenn sie trotzte, mit verschränkten Armen und gesenktem Blick da. Bei ihrem Gesprächspartner konnte es sich nur um Hocine, Hadithas Ehemann, handeln, überlegte Mirijam, denn niemals würde sich die Dienerin heimlich mit einem anderen Mann treffen.
» Bedenke, dass der Prophet, sein Name sei gepriesen, sagte, alle, die das Buch haben, seien unsere Brüder, und sie sollen ihren Glauben frei wählen dürfen!«, fuhr der Mann inzwischen betont geduldig fort. » Die nasrani wie auch die jahuda haben ihre Bücher des Glaubens wie wir unseren heiligen Quran. Sogar der Prophet Mohammed, Allah schenke ihm das ewige Leben, hat einst ihre heiligen Bücher studiert.«
» Ach, und wenn schon. Der marabout sagt, wir müssen sie alle vernichten. Wenn unsere Wüstenkrieger die Fremden lediglich vertreiben, so kommen sie eines Tages zurück und nehmen bittere Rache und dann …« Das klang wie auswendig gelernt.
» Bedenke weiter, durch Lâlla
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