Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Azîza und ihren Vater haben wir nicht nur unser gutes Auskommen«, unterbrach sie Hocine. Offensichtlich gab er sich alle Mühe, seine Frau zu beruhigen und zu überzeugen, dabei war er eigentlich ein Mann der Tat, nicht der Worte. » Sie sind unsere Wohltäter. Dank Sîdi Alî und seiner Tochter sind wir keine Sklaven mehr und können gehen, wohin es uns beliebt! Für den marabout der Sa’adier mag das ja ohne Bedeutung sein, für uns ist es jedoch von allergrößter Wichtigkeit.«
Mirijam spitzte die Ohren, doch kein Laut drang mehr zu ihr herein. Was plante Haditha? Überlegte sie, ob sie den Mahnungen ihres Mannes folgen sollte? Kaum, dachte Mirijam, nachgeben fiel ihr schwer. Zudem stand sie offenbar unter dem Einfluss dieses marabout, dessen Hetzreden sie nachplapperte. Hatte nicht Cadidja erst neulich etwas über Hadithas bösen Schatten gemurmelt?
Die Stimme des Mannes beendete das Schweigen. » Wann genau soll denn der Angriff eigentlich stattfinden?«
» Ich hörte jemanden von den kommenden mondlosen Nächten sprechen«, antwortete Haditha. Ihre Stimme klang eindeutig triumphierend.
» Oh Allah«, stöhnte Hocine leise.
Angriff? Mirijams Gedanken rasten. Was genau ging hier eigentlich vor? Wollte jemand Mogador angreifen? Und wer waren diese Wüstenkrieger, von denen Haditha sprach? Anscheinend ging es diesmal nicht allein um die Portugiesen, die Stadt und Land seit Jahren kontrollierten. Wenn sie Haditha richtig verstand, so sollten alle Fremden vernichtet werden, jedenfalls, wenn es nach dem Willen dieses marabout ging. Zurück ins Meer treiben, hatte Haditha es genannt. Wegen Abu Alîs Krankheit hatte Mirijam in letzter Zeit kaum das Haus verlassen und somit nicht bemerkt, dass sich in der Stadt etwas zusammenbraute. Aber warum hatte sie niemand gewarnt oder von der herannahenden Gefahr gesprochen? Keiner ihrer Leute hatte auch nur ein Wörtchen verlauten lassen, nicht einmal andeutungsweise. Und begannen die mondlosen Nächte denn nicht bereits heute, fragte sie sich plötzlich und bemerkte, wie sich die Haare auf ihren Armen aufrichteten.
Der Duft von süßem Wein zog durch den Raum. Ein Blick zur Kochstelle zeigte Mirijam, dass die Mischung bereits heftig schäumte und überzukochen drohte. Rasch eilte sie hinzu und packte den Topf, um ihn vom Feuer zu nehmen. Der Griff war glühend heiß. Sie schrie auf und riss die Hand zurück, so dass das Gefäß mit lautem Gepolter auf den Boden fiel. Das kochende Gemisch spritzte hoch und traf ihre Beine wie ein Peitschenhieb. Ihr Herz setzte ein paar Schläge aus. Und dann kam der Schmerz.
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Mirijam rang nach Luft, ihr war schlecht vor Schreck und Schmerz. Leise wimmernd hob sie die vom heißen Wein getränkten Kleider und löste sie von der Haut ihrer Beine. Noch war außer einigen Rötungen nichts zu sehen, aber sie wusste, im Handumdrehen würden sich Blasen bilden, die sich gefährlich entzünden konnten.
Atemlos kam Cadidja in die Küche gelaufen. Mit einem Blick hatte sie das Unglück erfasst und öffnete sogleich einen Tonkrug mit kaltem Wasser. » Oh Allah, wie konnte das nur geschehen?«, jammerte sie. » Das sieht schlimm aus. Hier, nehmt das Wasser, es kühlt und lindert ein wenig den Schmerz.«
Mirijam standen Tränen in den Augen, als sie mit einer Holzkelle kaltes Wasser über ihre zitternden Beine schöpfte. Sie biss die Zähne zusammen, trotzdem konnte sie ein Stöhnen nicht unterdrücken.
» Wir brauchen Kamelwasser«, entschied die Köchin. » Das ist das Beste.« Sie eilte zur Tür. » Abdel, du Nichtsnutz, komm her! Yallah!«, rief sie hinaus. Ein halbwüchsiger Junge, der immer hungrig war und daher oft in der Nähe der Küchentür herumlungerte, erschien prompt.
» Du läufst auf der Stelle zu Ahmad, dem Kamelführer, und holst frisches Kamelwasser. Sag ihm, Lâlla Azîza hat sich kochenden Wein über die Beine geschüttet, dann weiß er Bescheid. Los, Junge, lauf so schnell du kannst! Wenn du nicht gleich wieder hier bist, reiß ich dir den Kopf ab!«
Mirijam goss unterdessen unablässig kaltes Wasser über die verbrannten Stellen ihrer Haut. Sie ächzte leise. Würde ihr Kind jetzt ein Feuermal bekommen?, schoss es ihr durch den Kopf. Oft genug hatte sie davon reden hören, dass die Ungeborenen auf schlimme Erlebnisse ihrer Mütter mit Krankheiten oder Missbildungen reagierten.
» Er wird sich bestimmt beeilen, Lâlla«, versuchte die Köchin zu trösten. » Und frischer Urin von Kamelen ist ein altbewährtes Heilmittel
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