Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Wir sehen uns also in Kürze wieder. Jetzt allerdings werdet Ihr es eilig haben, schließlich hat Eure Reise weiß Gott lange genug gedauert. Zeigt mir zuvor nur noch rasch den Weg zum Hafenmeister sowie zu einem ordentlichen Gasthaus, und dann fort mit Euch.«
Medern schaute mit glänzenden Augen über den Platz und die prächtigen Häuser mit ihren schmucken Fassaden, die ihn säumten. » In dem Haus dort drüben«, er deutete auf ein schmales, hohes Gebäude, » findet Ihr das Hafenamt, Kapitän. Fragt nach Mijnheer Brouwer, der wird Euch gern ein Quartier empfehlen.«
Er hatte es nun sichtlich eilig, stand bereits an der Laufplanke und umklammerte beide Halteseile. Er schien wirklich froh, das Schiff verlassen zu können. Doch dann drehte er sich noch einmal zu Miguel um und zwinkerte vertraulich.
» Er wird Euch vermutlich den Roode Hoed oder die Zwarte Gans empfehlen. Der Hafenmeister hat eine große Familie, und von diesen Wirten bekommt er eine kleine Vermittlungsgebühr. Aber keine Sorge, in beiden Häusern seid Ihr gleichermaßen gut aufgehoben. Sie verfügen über Kammern, die man verschließen kann, und über eine gute Küche, wie ich sagen hörte. Morgen komme ich nachsehen, ob Ihr gut untergebracht seid. Dann können wir auch alles Weitere besprechen.«
Damit verließ der Kontorist die Santa Anna, überquerte den Platz und entschwand alsbald Miguels Blick. Der Kapitän seinerseits kleidete sich stadtgemäß in sein bestes, pelzverbrämtes Wams, kämmte Haar und Bart, ließ die Männer als Wache an Bord zurück und machte sich auf den Weg zum Hafenamt der Stadt Antwerpen.
Wieder zurück an Bord der Santa Anna packte Miguel zu später Stunde ein paar Kleider für seinen Landaufenthalt in seine Seekiste. Das Gespräch mit dem Hafenmeister hatte länger gedauert als gedacht, dennoch wollte Miguel noch heute sein neues Quartier beziehen. Er liebte es, am Abend in einer warmen Wirtsstube zu sitzen, den Gesprächen zu lauschen und sich ganz allgemein im Getriebe eines fremden Hafens umzutun. Nach dieser ereignislosen Reise freute er sich darauf besonders.
Die Deckswache hatte gerade die erste Nachtstunde ausgesungen, als Miguel einen lauten Warnruf vernahm. » Halt! Wohin wollt Ihr, zum Henker? Ihr könnt doch nicht einfach … Halt, sage ich!«
Alarmiert richtete sich Miguel auf. Er hörte schnelle Schritte auf der Treppe, und gleich darauf platzte ein verstört wirkender Medern in die Kajüte. » Euer Messer! Gebt mir Euer Messer«, stammelte Joost Medern. Er zerrte am Saum seines erst heute Morgen mühsam geflickten Gewandes. » Schnell, ich bitte Euch!« Die Augen glänzten fiebrig, und sein fleckigweißes Gesicht war tränenverschmiert.
» Meister Joost? Immer mit der Ruhe. Was ist denn passiert?«, fragte Miguel besorgt.
Der Mann war völlig außer Atem und konnte schon deshalb kaum sprechen. Dazu kämpfte er schluchzend mit den Tränen und schien völlig verzweifelt zu sein. » Das Messer, gebt mir Euer Messer!«, stammelte er in einem fort.
Eilig füllte Miguel einen Becher mit Wein. » Hier, runter damit. So ist es gut. Und nun sagt mir, was geschehen ist. Wozu benötigt Ihr mein Messer?«
» Greta, sie ist … Und Maarten, mein armer, lieber Maarten … Er war doch noch so klein. Dabei hatte er mir versprochen …« Medern heulte auf. » Um sie kümmern wollte er sich! Er wollte sogar den Arzt zu ihnen schicken, und ich solle mir keine Sorgen machen, das hat er gesagt. Seine Worte, ich schwöre es. Sie hatten beide diesen schlimmen Husten, als ich fortmusste, und nun …« Der Becher entfiel seinen Händen, und erneut riss Medern wütend am Saum seines löchrigen Wamses. Endlich gab die Naht nach, und mit zitternden Fingern brachte der Kontorist etliche Münzen, einen kurzen Eisenstab sowie mehrere vielfach gefaltete Blätter zum Vorschein. Er warf alles auf den Tisch.
» Das soll er mir büßen!«, schluchzte er. Dabei fuhrwerkten seine Hände zwischen den Schriftstücken herum. Zitternd entfaltete und glättete er eines nach dem anderen. Sie waren alle gleichermaßen mit Zahlen und Worten beschrieben, er schien jedoch ein bestimmtes Schreiben zu suchen. Als er es schließlich gefunden hatte, verhärtete sich seine Miene.
» Das hier wird ihm den Hals brechen!« Er pochte auf das Papier. » Alles habe ich erduldet, alles, doch was habe ich jetzt noch zu verlieren? Es ist mir gleich, was mit mir geschieht. Hiermit werde ich ihn zur Hölle schicken, den Verräter, und wenn es das Letzte
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