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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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ist, was ich auf dieser Welt tue!« Er breitete das Blatt auf dem Tisch aus, strich über die Knicke und Falten und ließ die Augen über das Geschriebene gleiten. Voller Verachtung spuckte er auf den Brief, dann brach er vollends zusammen.
    Mitleidig klopfte Miguel dem weinenden Mann auf die Schulter. Er nahm eine der Münzen vom Tisch und drehte sie in den Händen. Soweit er sehen konnte, waren sie gut gemacht, auf den ersten Blick war ein Betrug jedenfalls nicht zu erkennen.
    Er hob den Becher vom Boden, füllte ihn erneut mit Wein und drückte ihn Medern in die Hand. » Fangt Euch, mein Guter, und nehmt einen ordentlichen Schluck. Greta und Maarten, das ist wohl Eure Familie?«
    Mit dem Ärmel wischte Medern über Augen und Nase und nickte. » Tot«, sagte er tonlos, » alle beide tot. Als ich abreiste, reichte mir der kleine Maarten gerade bis hierher.« Damit deutete er auf seine Hüfte. » Ich habe ihn nach meinem Vater benannt, er war ein guter Mensch. Und nun kann ich sie nicht einmal an ihrem Grab besuchen! Auf dem Schindanger hat man sie verscharrt, zusammen mit Dutzenden anderer Leute, die in dem Winter ebenfalls an der Auszehrung starben. Kein Mensch weiß, wo sie liegen. Die Nachbarn sagen, niemand sei gekommen und habe geholfen, kein Bader und schon gar kein Arzt. Das soll er mir büßen!«
    Medern stürzte den Becher hinunter und reichte ihn Miguel zum Nachfüllen. Dann straffte er sich und blickte Miguel prüfend an. Mit den rot geränderten Augen und dem verschmierten Gesicht sah er aus wie der personifizierte Kummer. An seinen zusammengepressten Lippen und dem gespannten Kinn bemerkte Miguel jedoch eine wilde Entschlossenheit.
    » Kapitän, Ihr seid dem Advocaten auf den Fersen, habe ich recht? Es ist wegen Mirijam van de Meulen, stimmt’s?«, fragte Medern.
    » Was? Wer behauptet denn so etwas?« Miguel bemühte sich um Gleichmut in der Stimme.
    » Ich kann eins und eins zusammenzählen. Vergesst nicht, Kapitän, ich habe Eure Bücher auf den neuesten Stand gebracht.«
    » Also gut, Ihr habt recht, mestre Joost, Euch kann man eben nichts vormachen. So wisst denn, Mirijam van de Meulen hat nicht nur den Überfall der Piraten überlebt, seit kurzem ist sie zudem mein Eheweib.«
    Medern nickte, als sei Miguels Mitteilung von untergeordneter Bedeutung. Sein Blick wanderte über den Tisch. Er glitt über die falschen Münzen, die darauf verstreut lagen, über Prägestock und gesiegelte Schreiben und folgte schließlich seiner eigenen, weit gespreizten Hand. Auch Miguels Augen folgten der Hand.
    Sie legte sich auf ein dicht beschriebenes, mit schwunghaften Schnörkeln und einem geheimnisvollen, fremden Siegel versehenes Papier. Es handelte sich um den Brief, den Medern mit solcher Verachtung betrachtet hatte.
    » Dieses Schreiben hier ist der endgültige Beweis. Es ist an den Advocaten gerichtet«, erklärte Medern endlich mit zitternder Stimme. » In Genua wurde es mir von einem Kapitän Natoli übergeben, als er erfuhr, dass ich Schreiber des Hauses van de Meulen war und mich auf dem Heimweg befand. Kapitän Natoli sollte es ursprünglich eigenhändig nach Antwerpen befördern, hat sich aber dann für den wesentlich unaufwendigeren Weg entschieden. Einen Gulden für meine Mühe gegen zig Gulden, die er dadurch einsparen konnte.« Medern sprach wie zu sich selbst. » Nie im Leben hätte ich so etwas für möglich gehalten. Er hat sie einfach krepieren lassen! Was ist das nur für ein Mensch. Armengrab, auf dem Schindanger verscharrt, dabei habe ich Anspruch auf den Lohn vieler Monate. Aber hiermit schicke ich ihn geradewegs in die Hölle!« Er pochte auf den Brief und nickte.
    Miguel schenkte den Becher noch einmal voll. Medern wollte also an seinem Herrn Vergeltung üben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, das waren offenbar Mederns vorherrschende Gedanken. Aber wie, bei allen Heiligen, sollte dieser Brief dazu nützlich sein?
    Miguel schob den Wein über den Tisch in Mederns Reichweite und räusperte sich. » Ich sage Euch etwas, mein lieber Medern: Wir werden ein paar Messen lesen lassen für das Seelenheil Eurer Familie. Dieses Schreiben«, begann er vorsichtig, » dieses Schreiben ist also an Cohn gerichtet? Wer ist denn der Verfasser? Wollt Ihr mir nicht sagen, was darin steht?«
    Immer noch nickte Medern, als habe sich sein Kopf selbstständig gemacht. Seine Lippen bewegten sich, die Hände öffneten und schlossen sich, und seine Augen fuhren rastlos hin und her. Alles Mögliche schien in ihm

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