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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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ein gläsernes Fläschchen aus einer verborgenen Tasche seines Gewandes. » Hör zu«, sagte er, » ich werde es dir erklären. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich tue es. Wahrscheinlich sind es deine bernsteinfarbenen Augen … Also, deine Freundin ist krank im Gemüt, verstehst du das? So etwas habe ich schon häufiger bei den Frauen der Christen erlebt. Manchmal geht es vorüber, manchmal auch nicht, das weiß man vorher nie. Aber wenn sie schläft, kann sie nicht schreien und toben und kann sich selbst oder andere nicht verletzen und in Gefahr bringen, richtig?«
    Aber wenn Lucia ständig schlief, konnten sie nicht miteinander reden und sich keinen Plan zu ihrer Rettung ausdenken. » Von mir aus könnte sie ruhig schreien und toben«, fasste Mirijam ihre Gedanken in Worte. » Ich bin ja bei ihr und passe auf, dass sie sich nicht verletzt.«
    » Ich freue mich, deine Meinung zu diesem Fall zu hören«, sagte der Piratenarzt sarkastisch und grinste. » Du hast jedoch nicht an die Dschinn gedacht«, fuhr er ernst fort. » Die Männer könnten glauben, wer so außer sich gerät wie deine Freundin heute Morgen, in den sei ein böser Geist gefahren. Vor denen aber haben selbst die stärksten Männer Angst. Und aus lauter Furcht könnten sie ihr etwas antun, sie bei Nacht über Bord werfen, zum Beispiel. Bis der Kommandant oder ich einschreiten können, wäre es vielleicht zu spät.«
    Über Bord werfen? Den Piraten wäre das durchaus zuzutrauen. Also hob Mirijam Lucias Kopf an, und der Alte träufelte einige Tropfen aus dem Fläschchen auf Lucias Zunge. » Diese Arznei gibt ihr die nötige Ruhe, sie wird nun weiterschlafen«, erklärte er.
    Mirijam jedoch hatte deutlich das Abbild einer Alraune auf dem Fläschchen erkannt und erschrak. Diese Zauberwurzel mit der Gestalt eines Menschen konnte Gutes, ebenso aber auch viel Böses anrichten, sie konnte heilen oder vernichten. Bestimmt wollte dieser so genannte Arzt Lucia vergiften. Oder wollte er sie vielleicht sogar verhexen? War er etwa nicht nur Arzt, sondern auch Magier? Was sonst sollte das Gerede von den Dschinn bedeuten? Damit waren ja wohl irgendwelche Zauberwesen oder Dämonen gemeint.
    Kaum hatte der maurische Hexenmeister die Kammer verlassen, riss Mirijam ein Stück vom Saum ihres Kleides ab und versuchte, Lucias Mund zu öffnen.
    » Los, mach den Mund auf!« Mit dem Stofffetzen wischte sie über Lucias Lippen. » Oh, dieser furchtbare Mann, was er dir alles angetan hat! Ich konnte es nicht verhindern, weißt du? Bitte, Lucia, bitte verzeih mir. Und mach endlich den Mund auf!« Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie ihre Finger in Lucias Mund zwang und mit dem Kleiderfetzen über deren Zunge fuhr. Das Gift musste weg, bevor es in ihren Körper gelangen konnte. Sie fühlte sich schuldig. Das Gift der Alraune!
    Irgendwann gab sie auf. Ob ihre Bemühungen Erfolg hatten, würde sich zeigen, wenn Lucia erwachte. Falls sie jemals wieder erwachte.

11
    ANTWERPEN 1521
    Schlafen, nichts als schlafen. Am liebsten würde sie für immer einschlafen. Diese Schmach! » Kannst gleich ins Wasser gehen, ist gar nicht weit zum Fluss. Mach einfach allem ein Ende, es ist sowieso alles sinnlos…« Gesa war, als befände sich in ihrem Kopf neben ihrer eigenen plötzlich eine weitere Stimme. Eine, die ihr zusetzte und sie mit Angst und dunklen Gedanken quälte. Sie spürte, dass sie ihr am liebsten nachgegeben hätte.
    Müde irrte die alte Frau mit ihrem Bündel, in dem sich neben ein paar Kleidern und sauberen Schürzen auch ein Beutel Erspartes befand, durch die Straßen Antwerpens. Die Haube saß verrutscht auf ihrem grauen Schopf, und aus dem festen Haarknoten hatten sich einzelne Strähnen gelöst. Den Kragen ihres schweren, durchnässten Umhangs hatte sie hochgeschlagen. Nicht allein wegen der Feuchtigkeit oder der Kälte, sondern auch, um ihr Gesicht zu verbergen. Sie hätte schwören können, hinter jedem Fenster der umliegenden Häuser am Koornmarkt hatte jemand gestanden und ihren Auszug beobachtet. Wie man sich jetzt überall das Maul über sie zerreißen würde.
    Zuerst Antonis Laurens, dann Geert Achterveld und Claas Deken und nun auch sie selbst: vor die Tür gesetzt! Alle vier, ungeachtet der Jahre, in denen sie ihrem Herrn treu gedient hatten, und ohne Rücksicht auf ihr Alter. Laurens und Achterveld hatten wenigstens Verwandte, die sie, wenn auch widerwillig, aufnehmen konnten, aber Deken und sie selbst? Deken war krank, er hatte Husten und schon seit

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