Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
sein, dass mit Vaters Tod alles Gute aus ihrer beider Leben entschwunden war? Wenn sie sich nur nicht derart schutzlos und einsam fühlen würde! Hilfe oder Zuspruch aber konnte sie von niemandem erwarten, nicht einmal von Lucia.
Hätte sie Lucia und sich doch als Töchter von Andrees van de Meulen, als Kinder aus reichem Hause zu erkennen geben sollen? Und was hatte es zu bedeuten, wenn ausgerechnet der Kapitän sie warnte, ihre wahre Herkunft preiszugeben? Welchen Nutzen hatte er davon? Doch auch diese Überlegungen brachten sie keinen Schritt weiter, sie musste warten, bis Lucia erwachte. Eine geraume Zeit saß sie so, still, aufgewühlt und erschöpft.
Selbst während Lucia schlief, bereitete sie ihr Sorgen, denn sie schien sich unwohl zu fühlen, obwohl ihr Puls regelmäßig schlug. Manchmal stöhnte sie in ihrer Bewusstlosigkeit oder knirschte mit den Zähnen. Dann wieder schien sie zu frieren, und kurz darauf standen ihr Schweißperlen auf der Stirn. Was hatte ihr der Alte nur gegeben? Es musste ein starkes Mittel sein, denn sie konnte die Schwester noch so viel rütteln und rufen, sie erwachte nicht. Also setzte sich Mirijam neben Lucia aufs Bett, deckte sie zu, wenn sie vor Kälte zitterte, nur um sie kurz darauf wieder freizulegen und das heiße Gesicht zu trocknen. Wenn sie wenigstens ein wenig Wasser zur Hand hätte, und wenn die Schwester doch nicht immerzu schlafen würde! Sie mussten dringend beratschlagen, was sie unternehmen konnten und wie sie sich verhalten sollten. Allein konnte sie das nicht schaffen. Andererseits, solange Lucia schlief, musste sie sich zumindest nicht um sie ängstigen, das wüste Geschrei über die Teufel war wirklich furchterregend gewesen. Wie hatte der alte Maure das genannt, hystera?
Am Abend erschien der heilkundige Mann und untersuchte die immer noch apathisch daliegende Schwester. Er fühlte ihren Puls, hob ihre Augenlider an und öffnete den Mund, um die Zunge zu besehen. Danach legte er das Ohr auf Lucias Brust und lauschte ihren Atemzügen.
» Man nennt mich Hakim Mohammed, und ich sage dir, diese junge Frau ist ernsthaft krank«, wandte er sich schließlich an Mirijam. » Wie heißt sie? Ihr seid beide auf dem Weg nach Al-Andalus, hörte ich, sie als Vorleserin und du als Magd?«
An Deck hatte er sich zwar für sie beide eingesetzt, dennoch durfte sie sich nicht verleiten lassen, ihm zu vertrauen. Er hatte Lucia betäubt, und er gehörte zu den Korsaren. Also schwieg Mirijam.
» Nun ja, wie auch immer. Verstehst du wenigstens, was ich sage? Sie fiebert. Das kommt von den schwarzen Säften, die aus dem Unterleib aufsteigen und sich im Gehirn breitmachen, denn das ist das schlimme Wesen der hystera, verstehst du? Sie will den Geist verwirren.«
Statt einer Antwort senkte Mirijam den Kopf. Aufsteigende schwarze Säfte, die sich im Gehirn breitmachten? So etwas Grauenhaftes wollte sie nicht hören.
Der Alte wandte sich wieder der Kranken zu. Was er nun tat, entsetzte Mirijam zutiefst. Zunächst entkleidete er den Unterleib der reglosen Lucia, dann schob er ihr ein Kissen unter das Becken und öffnete ihre Beine.
» Nein!« Mit beiden Fäusten schlug Mirijam auf den Alten ein. » Nein, das darfst du nicht tun! Den anderen sagst du, sie müsse rein bleiben, und jetzt tust du es selbst!«
Der Arzt hob die Hand, als wolle er sie schlagen. » Geh beiseite, dummes Ding! Das hier muss getan werden, wenn ihr Leben gerettet werden soll.«
» Aber es ist nicht recht!«, heulte Mirijam auf.
» Unsinn. Ich bin Arzt und muss sie untersuchen. Nun geh mir aus dem Weg.« Damit fuhr er mit dem Finger in Lucias geheimste Öffnung. Die Schwester wimmerte leise, und ihre Augenlider flackerten, sie erwachte jedoch nicht.
Nachdem der Alte eine Weile behutsam in Lucias Innerem herumgetastet hatte, zog er die Hand zurück und nickte zufrieden. » Wie ich’s mir dachte, sie ist Jungfrau.« Er deckte Lucia mit einem Leintuch zu und winkte Mirijam an seine Seite. » Jetzt wirst du mir helfen. Sie bekommt eine Medizin, die das Fieber senkt und ihrem Geist Ruhe gibt.«
Mirijam verschränkte die Hände vor der Brust.
» Wirst du jetzt tun, was ich sage!«, fuhr er sie an. » Oder soll ich einen der Matrosen rufen? Du wirst ihren Kopf anheben, damit ich ihr die Arznei in den Mund geben kann.«
» Aber … Ist es denn wirklich unbedingt notwendig, dass sie immerzu schläft?« Zögernd trat Mirijam an das Kopfende und streichelte über Lucias Haare.
Der maurische Arzt nickte. Er zog
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