Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
sei gepriesen auf allen Meeren und unter allen Himmeln, arbeiten.«
Der Kommandant ließ diese Worte einen Moment lang wirken. Dann fuhr er fort: » Ich mache es kurz: Die Jungen und Starken unter euch kommen an die Ruderbänke oder werden zum Decksdienst beordert. Und wehe, jemand verrichtet seine Arbeit nicht in der gewünschten Art und Weise! Die anderen Ungläubigen werden an Land als Arbeitssklaven verkauft. Über ihre Eignung und Verwendung werde ich bestimmen.« Damit verließ er den Platz auf dem Achterkastell. Er schritt über das Deck, ließ seinen Blick über die Gefangenen schweifen und taxierte deren körperliche Verfassung. Hier drückte er einen Arm, dort prüfte er die Beinmuskeln, einem anderen Mann strich er über Nacken und Rücken, und bei allen untersuchte er die Zähne. Der Kommandant war größer, als Mirijam gedacht hatte. Als er an ihr vorbeischritt, schlug sie die Augen nieder, damit er darin nicht ihre Angst entdeckte.
Plötzlich sah sie Kapitän Nieuwer neben dem Kommandanten stehen, breitbeinig und selbstbewusst, als sei dies sein angestammter Platz. Am liebsten hätte sie ihm mit aller Verachtung, derer sie mächtig war, vor die Füße gespuckt.
» Kapitän, wenn es jemand Vermögenden unter diesen Leuten gibt, so nennt uns seinen Namen«, wandte sich der Kommandant an den Kapitän. » Er soll gut behandelt werden, und es wird ihm an nichts fehlen, bis das Lösegeld für ihn eingetroffen ist. Danach soll er frei sein.«
Mirijam konnte jedes Wort verstehen. Aber wieso sprach der Korsar auf einmal Französisch, wenn er eben noch einen Übersetzer gebraucht hatte? Doch das war nebensächlich, das wesentliche Stichwort lautete » Lösegeld«!
Natürlich, das war der Schlüssel! Warum hatte sie nicht sofort daran gedacht? Was für ein Glück, dass Lucia und sie aus reichem Hause stammten. Nur wenn die Familien kein Lösegeld aufbringen konnten, endete man in der Sklaverei, das hatten die Männer im heimischen Hafen oft erzählt. Sie hob den Kopf. Jetzt würde Kapitän Nieuwer gleich auf sie beide deuten und ihren Namen nennen, denn sicher war dieser Verräter ebenso am Lösegeld interessiert wie der Kommandant. Erwartungsvoll blickte sie den Kapitän an.
Der warf aus den Augenwinkeln einen raschen Blick auf Mirijam und Lucia. Unauffällig trat er ein paar Schritte näher und schüttelte dabei unmerklich seinen Kopf.
» Großer Chair-ed-Din, wie gern wäre ich Euch gefällig! Doch ich bedaure unendlich, Euch enttäuschen zu müssen«, sagte er an den Kommandanten gewandt und hob beide Hände bedauernd in die Höhe. » Leider befindet sich unter den Gefangenen niemand mit Vermögen.« Er sprach zwar den Piraten an, aber es schien Mirijam, als seien seine Worte eigentlich für sie bestimmt.
Hatte sie richtig gehört? Was sollte das heißen? Sie besaßen doch Geld, sogar viel Geld! Vater gehörten Häuser, Schiffe, Waren aller Art und sonstiges Vermögen. Und das wusste dieser Verbrecher ganz genau. Glaubte er etwa, als Sklavinnen könnten sie ihm mehr einbringen? Mirijam machte Anstalten aufzustehen, wobei sie die Augen nicht vom Kapitän löste.
Der starrte zurück. Seine Augen glänzten, als stünde Wasser darin. Tränen? Bei einem Verräter? » Schweig still, um Christi willen! Wenn dir dein Leben und das deiner Schwester lieb ist, so schweig!«, zischte er ihr plötzlich halblaut zu. » Dies ist vielleicht der einzige Weg für euch zu überleben.«
Verschreckt sank Mirijam zurück. Der einzige Weg zu überleben, was bedeutete das? Und warum diese Warnung? Wenn es denn überhaupt eine Warnung sein sollte, diesem Verräter musste man wohl das Schlimmste unterstellen. Ihre Gedanken rasten.
Der Piratenkommandant kam heran und blieb vor ihnen stehen. » Und was ist mit den beiden Mädchen?«
» Die Mädchen? Ach, nur unnütze Esser, edler Chair-ed-Din. Sie sollten als Vorleserin und als Dienstmagd nach Al-Andalus gehen.«
» Was hat sie?«, wandte sich der Pirat an Mirijam und deutete auf die bewusstlose Lucia.
Jetzt, dachte sie, jetzt konnte sie ihm sagen, dass der Kapitän log. Oder lieber nicht? Hilflos starrte sie von dem Piraten zu Kapitän Nieuwer. Der schüttelte erneut kaum merklich den Kopf. Mirijams Augen füllten sich mit Tränen. Alles hing davon ab, dass sie jetzt das Richtige tat, doch was war das Richtige?
» Wieder so eine dumme Gans, die wahrscheinlich nur die Sprache der Hiebe versteht.«, murmelte der Übersetzer voll Verachtung.
Chair-ed-Din beugte sich
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