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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Hätten sie gewusst, was ich nun weiß, nämlich, dass du aus gutem Hause stammst, so hätte ich dich niemals kaufen können. Dann wärst du im Kerker geblieben, und sie hätten Lösegeld gefordert. Vermutlich hätte man dich sogar einigermaßen gut behandelt, bis Nachricht aus Antwerpen gekommen wäre, denn mit diesem Hintergrund hättest du einen erheblich Wert für sie dargestellt.«
    Aber der Kapitän, dachte Mirijam, er hatte sie doch so eindringlich gewarnt, sich als Kandidatin für eine Lösegeldtransaktion zu erkennen zu geben. Aus welchem Grund? Diese Frage konnte sie immer noch nicht beantworten. Und Lucia, was konnte mit Lucia geschehen sein? Sie schauderte, wenn sie an ihren unheimlichen Traum mit den Münzen auf Lucias Augen dachte. Oder – dieser Gedanke kam ihr eben in diesem Moment in den Sinn – war für die Schwester etwa doch Lösegeld gefordert und womöglich sogar gezahlt worden? War Lucia bereits auf dem Weg in die Heimat? Sie schrieb ihre Fragen nieder und reichte sie dem Alten.
    » Du hast recht, das ist seltsam«, meinte der Arzt. » Fragen über Fragen, die ich dir leider nicht beantworten kann. Aber ich will sehen, was sich tun lässt. Wenn ich das nächste Mal nach Al-Djesaïr komme, werde ich mich umhören und Erkundigungen einziehen. Und bis dahin«, fuhr er fort und legte Mirijam die Hände auf die Schultern, so dass sie zu ihm aufschauen musste, » bis dahin wirst du für mich und alle anderen im Haus Azîza bleiben. Solange wir nämlich nicht wissen, was hinter all diesen merkwürdigen Dingen steckt, ist es besser, deinen wahren Namen nicht zu verraten. Außerdem«, überlegte er, » könntest du mir eigentlich bei meiner Arbeit helfen. Möchtest du das?«
    Als Mirijam in den frühen Morgenstunden endlich ihr Lager aufsuchte, fühlte sie sich trotz ihrer Müdigkeit leicht und froh, und ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Sie hatte zwar noch niemals Wein gekostet, aber ungefähr so, wie sie sich jetzt fühlte, musste man sich nach dem Genuss eines Glases davon fühlen, dachte sie.
    Von nun an ging Mirijam in seinen Arbeitsräumen ein und aus. Sie räumte Gerätschaften und Bücher auf, hielt Ordnung auf seinen Tischen und schrieb, was immer er ihr diktierte, ob es sich um Rezepturen für Heiltränke oder um komplizierte Berechnungen zum Lauf der Gestirne handelte. Nebenbei unterrichtete der Sherif sie in Arabisch, Latein und Griechisch, er wies sie in die Lehre von den Elementen ein, und sie erfuhr vom Stein der Weisen, mit dem man gewöhnliches Metall in Gold verwandeln konnte. Sie liebte es, seinen Erklärungen zu lauschen, während es ihm gefiel, sie zu unterrichten.
    Die geschwungenen Schriftzeichen des Arabischen gefielen Mirijam besonders gut. Arabisch schrieb man von rechts nach links, und zuerst sperrte sich ihre Feder, so dass es reichlich Kleckse gab, doch mit der Zeit wurde sie geschickter, und die fremden Zeichen gerieten immer leichter und geschmeidiger.
    » Nur schade«, seufzte Sherif Hakim manchmal, » nur schade, dass du diese wohlklingenden Worte nicht aussprechen kannst.«
    Immer wenn er ihre Sprachlosigkeit erwähnte, schnürte es ihr die Brust zusammen. Manchmal gelang es ihr nämlich beinahe, diesen Makel zu vergessen, und dann versetzten ihr seine Worte einen besonders schmerzhaften Stich. Natürlich wusste sie, das der alte Arzt ihr damit keine Vorwurf machte, im Gegenteil. Schließlich suchte er immerfort nach Wegen, wie er ihre Stimme wieder hervorlocken konnte. Auch wenn diese Suche bisher noch nicht erfolgreich gewesen war, schon allein durch sein Bemühen wuchs Mirijams Vertrauen zu ihm. Sie fühlte sich von ihm behütet und beschützt, und nach diesem Gefühl hatte sie sich lange gesehnt.
    Inzwischen konnte sie hin und wieder mit etwas leichterem Herzen an Antwerpen denken, an ihren Vater oder an Muhme Gesa und all die anderen, und sie erkannte, wie selbstverständlich damals das Gefühl von Sicherheit für sie gewesen war. Und wenn sie besonders fröhlich gestimmt war, gestattete sie es sich manchmal sogar, an Cornelisz zu denken.
    Einmal, und daran erinnerte sie sich immer noch mit Herzklopfen, hatten sie an einem wunderschönen Frühlingstag gemeinsam mit Lucia und Gesa Holunderblüten gesammelt, um daraus besonders leckere Küchlein zu backen. Cornelisz hatte schon bald keine Lust mehr und flocht stattdessen einen Kranz aus Wiesenblumen, den er auf ihre dunklen Locken setzte. Er sah sie bewundernd an, zog sie ein wenig linkisch an die Brust und

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