Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
außerordentlich zufrieden. Sag ihm außerdem, die Hafenerweiterung sei beschlossene Sache. Die Kaufleute der Hanse werden ihren Englandhandel mit Beginn des Frühjahrs von hier aus wahrnehmen, was für enormen Wirbel sorgen wird. Das kann unserem Plan nur nützen. Niemand wird sich um mich oder irgendwelche Bergbaugeschichten und Erzlieferungen scheren. Er soll diese Nachricht weitergeben, er weiß schon, an wen. Hast du verstanden?«
Mit dem dümmlichsten Gesicht, dessen er fähig war, schaute Natoli den Mann an. Er zuckte mit den Schultern.
» Warte, Dummkopf, ich schreibe es dir auf. Warum muss ausgerechnet ich es immer mit Idioten zu tun haben?«
Der Hagere warf einige Sätze auf ein Stück Papier, faltete und versiegelte es und übergab es dem Seemann. » Für deinen Kapitän. Pass auf, dass es nicht nass wird! Dieses Zeug da kannst du verbrennen.« Er deutete mit der Schuhspitze auf die Stofffetzen am Boden. » Und hier hast du etwas dafür, dass du vergisst, jemals hier gewesen zu sein, ist das klar?«
Die gichtigen Finger überreichten ihm einige Münzen, die blitzschnell im Gewand des Italieners verschwanden. » Sì, naturalmente. Grazie, Signore, mille grazie.«
Noch während er die Lumpen zusammenraffte, überlegte der Italiener, dass er mit so viel Glück gar nicht gerechnet hatte. Die Geschäftsbeziehungen zwischen Chair-ed-Din und diesem intriganten Juden hier weiteten sich offenbar aus, und das Wissen darum verschaffte auch ihm die allerbesten Aussichten. Zudem hatte er es nun schwarz auf weiß.
Capitano Natoli verneigte sich stumm vor dem Advocaten, wickelte sich in seinen Umhang und schlüpfte aus dem Haus. Auf dem Weg zum Hafen warf er das Bündel mit dem blauen Kleiderrest in ein dunkles Gebüsch.
21
KASBAH TADAKILT
Eines Abends, nachdem sie bereits etliche Wochen in der Burg lebte, wurde Mirijam losgeschickt, dem Herrn einen Krug sherbet, gekühlten, frischen Obstsaft, zu bringen. Die Räume des Arztes lagen an einem ruhigen Innenhof, in dem Rosen dufteten und Granatapfelbüsche wuchsen. Auf dem Wasser eines schmalen, fliesengefassten Bassins schwammen Blütenblätter. Unter den von Laternen erleuchteten Arkaden luden weiche Teppiche und Polster zur Erholung ein, und auf kleinen Tischen standen neben Öllämpchen Schalen mit Nüssen und Mandeln bereit.
Seitdem sie von den anderen Frauen in Ruhe gelassen wurde, fand sie sich Tag für Tag besser in das Leben in der Kasbah ein. Und solange sie ihre Gedanken und Erinnerungen zurückhielt, auch nicht zu viel über Lucias Schicksal nachdachte oder über die Motive des verräterischen Kapitäns Nieuwer grübelte und das unaussprechliche Geschehen im Kerker in den entferntesten Winkel ihrer Seele verbannte, solange ging es ihr gut. Über ihre Träume aber hatte sie keine Gewalt. Oft genug erwachte sie schweißgebadet auf einem tränennassen Kissen …
Mirijam freute sich darauf, den alten Hakim wiederzusehen und trug die volle Kanne behutsam, um nur ja nichts zu verschütten, durch den beleuchteten Garten. Auf der Schwelle streifte sie die Sandalen ab, wie man es sie gelehrt hatte, und betrat das Arbeitszimmer. Insgeheim hoffte sie, Sherif Hakim in Gesellschaft eines Dschinn zu finden. Vorsichtig, aber vor allem neugierig spähte sie umher.
Der Raum war schmal, dafür aber lang und hoch. Geschnitzte Zedernbalken stützten eine bemalte Decke, und der dunkle Holzboden bildete einen Kontrast zu den weißen Wänden. Sofern man von den Wänden überhaupt etwas erkennen konnte, denn sie waren bis zur Decke mit Regalen bedeckt. Bücher über Bücher, mehr, als sie je zuvor gesehen hatte! Und sie standen beileibe nicht nur ordentlich auf den Borden oder häuften sich auf den Tischen, nein, auch der Diwan verschwand fast unter Büchern, ebenso die Polster und Hocker, und sogar auf dem Boden lagen ein paar aufgeschlagene Bücher übereinander. Kurzum, sie belegten jeden freien Platz.
An einem Ende des Raums loderte ein laut knisterndes Feuer. Der helle Schein beleuchtete die in Nischen gemauerten Regale mit den verschieden großen Flaschen und Krügen, mit Kräuterbündeln, Steinbrocken und Knochenteilen, mit Tiegeln und Töpfen sowie Mörsern und Glaskolben. Auf einem Tisch lagen Sachen, als hätte sie dort jemand achtlos hingeworfen, selbst der Boden war übersät mit Papierfetzen, Pergamenten und Federkielen. Dazwischen befanden sich zusammengeknüllte, verfärbte Lappen und feuchte Tücher, mit denen man irgendwelche verschütteten Flüssigkeiten
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