Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
könnte den gottgewollten Verkehr verdrängen und somit die staatserhaltende Geburtenrate mindern. Hier und da schien sich seit neuestem allerdings auch eine gewisse Menschlichkeit durchzusetzen. So war ihm kürzlich zu Ohren gekommen, einschlägig bekannte Uferregionen würden von Nonnen abgesucht. Sie bargen überlebende Säuglinge, um sie aufzupäppeln und an kinderlose Familien zu verkaufen. Nun ja … Jedenfalls war es trotz dieser klaren Gesetzeslage nicht einfach, das Treiben in bestimmten Kreisen aufzudecken, zumal die Männer bei ihren Verbrechen meist Masken trugen.
Um sich auf erfreulichere Gedanken zu bringen, trat der Bucklige an ein Tischchen, füllte ein Glas mit rotem Wein und ließ den Blick durch seinen Salon wandern. So wie er Wert auf seine Garderobe legte, lag ihm auch die gediegene Ausstattung seines neuen Palazzo am Herzen, den er an einem ruhigen Seitenkanal des Canal di Cannaregio hatte bauen lassen. Dieses Gemach mit seinen Diwanen, üppigen Kissen und orientalischen Teppichen war sicher eines der schönsten Zimmer, die man sich denken konnte.
Doch für Luxus dieser Art hatte der junge Capello keinen Blick. » Erkannt – na ja, schon, aber von wem? Doch nur von einem jüdischen Arzt. Reine Verleumdung, oder gibt es etwa einen glaubwürdigen Zeugen? Unter der Maske könnte schließlich jeder gesteckt haben! Man weiß ja, Loredan hat viele Feinde, von denen etliche nur zu gern dabei zusähen, wie er zwischen den Säulen der Piazetta hängend seinen letzten Atemzug tut. Vermutlich hat man bereits jede Menge Denunziantenbriefe in den Mäulern der Löwen gefunden. Doch es wird im Sande verlaufen wie all die anderen Versuche gegen ihn, das kann ich dir vorhersagen. Immerhin ist der Doge sein Großonkel.« Mit einer Geste des Überdrusses wischte Marino Capello die schwerwiegenden Anschuldigungen gegen seinen Freund Loredan beiseite. Dennoch, so leicht, wie er tat, war ihm nicht zumute.
Dieser verdammte Loredan!
Im Gegensatz zu jenem reizte ihn, mehr als ein Kind im Bett, jede ahnungslose Jungfrau von sechzehn Jahren, der er ihr Hymen rauben konnte. Nicht einmal mit einer Feuerzange würde er ein Kind anfassen! Bei Loredan und seiner Clique war das etwas anderes. Je jünger, desto besser lautete deren Devise, und Nachschub war unter den Ärmsten der Stadt leicht zu beschaffen. Allenthalben fanden sich Händler, bei denen die Eltern in der Kreide standen, Bettler, Säufer oder Nachbarn, wer auch immer, die den wohledlen Herren die Drecksarbeit abnahmen. Ein Geldstück hier, ein paar Versprechungen dort, schon gehörte das Kind ihnen. Kaum aber spross das erste, zarte Haar am Körper, kaum wölbte sich eine knospende Brust, verschmähten und verstießen sie die armseligen kindlichen Huren. Einmal hatte Salvatore Loredan auch ihm ein Kind angeboten, er aber war wie ein Gejagter aus dem Haus gestürmt und hatte in den Kanal gekotzt.
Nein, mit dieser Art von Lustbarkeiten hatte er nichts zu tun. Würfel, Karten und alle sonstigen Glücksspiele waren das eine, selbst wenn die Würfel manipuliert und die Karten gezinkt waren, Kinder aber waren etwas anderes. Loredan hingegen kannte keine Bedenken. Er war reich wie Midas, generös und dem Luxus verfallen, aber erbarmungslos, wenn es um die Rückzahlung von Schulden ging, besonders wenn es sich dabei um Spielschulden handelte.
Doch wer sonst als Loredan und dessen Kreise sollte ihm wieder auf die Füße helfen? Wenn ihm der Onkel nicht aus der Patsche half, musste er noch einmal mit Loredan um die Verlängerung seiner Rückzahlungsfrist verhandeln. Porca Madonna, jetzt hatte er sich auch noch mit dem Messer geschnitten! Marino leckte das Blut vom Daumen.
Dieser hässliche Zwerg, dieses Nichts von einem Mann, sein Onkel, den es lediglich ein Fingerschnippen kosten würde, ihm einen satten Kredit zu verschaffen, wollte ihm nicht helfen? Schlürfte Wein aus geschliffenen Pokalen und erklärte ihm, die anstehende Untersuchung nicht niederschlagen, ja, noch nicht einmal Einfluss darauf nehmen zu können?
Dann jedoch besann er sich darauf, was auf dem Spiel stand. Es ging nicht nur um seine Schulden, inzwischen war auch seine neueste Geschäftsidee, die Purpurfärberei in Gefahr. Wer hätte denn auch ahnen können, dass die Verarbeitung dieser widerlichen Schleimtiere derart aufwändig war? Es dauerte Wochen, bis man zu einem Ergebnis kam. Und in dieser Zeit kam natürlich kein Geld rein, die Arbeiter aber ließen sich nicht mehr vertrösten, sie
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