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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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allerdings nicht gefallen.
    Von seinem Aussehen und seinem Charme abgesehen, gab es an seinem Neffen nichts Gutes. Er log und betrog, und selbst von guten Geschäftsfreunden zweigte er Waren, die er auf seinen Fahrten transportierte, ab, um sie auf eigene Rechnung zu verkaufen. Dass er das von der Mutter ererbte Vermögen vergeudet hatte, konnte man noch als jugendliche Torheit tolerieren, nicht jedoch, dass er falsch deklarierte Holzlieferungen für den Schiffsbau lieferte. So etwas überstieg jede Grenze. Nachsicht gegenüber jemandem, der die Kriegsflotte schwächte, während die Türken gegen die venezianischen Kolonien in der Ägäis anrannten? Undenkbar, das war Hochverrat, und darauf stand die Todesstrafe.
    Irgendwie hatte er dieses harte Urteil abwenden können, weil er den angerichteten Schaden um ein Vielfaches ersetzt hatte. Außerdem war es ihm gelungen, Marinos Veruntreuungen als Handlungen darzustellen, die durch allzu lockere Kontrollen begünstigt, ja, sogar befördert wurden. Damit hatte er der Verwaltung des Arsenals ein Armutszeugnis ausgestellt, was letzten Endes für eine kompetentere Führung gesorgt hatte. Wenigstens etwas Erfreuliches an dem Desaster. Eine Zeitlang hatte es wahrhaftig so ausgesehen, als gelänge es, den Namen Capello reinzuwaschen und Marinos Fuß wenigstens wieder auf die unterste Stufe der Leiter zu setzen. Sogar eine Verlobung hatte er arrangieren können. Doch die Genugtuung darüber hielt nur kurze Zeit an. Es tat ihm in der Seele weh, aber immer häufiger drängte sich ihm die Erkenntnis auf, dass der Junge nicht nur kein Unrechtsgefühl besaß, sondern geradezu verderbt war, bis in den Kern.
    Sogar sein neuestes Projekt, diese sogenannte Purpurfärberei im Golfo di Tarento, zu dem er ihm wider besseres Wissen auch noch Geld vorgestreckt hatte, hatte sich inzwischen als groß angelegter Schwindel und betrügerische Fälscherwerkstatt herausgestellt. Wie ihm seine Gewährsleute berichteten, war das dortige Schneckenvorkommen viel zu gering, um eine erfolgreiche Färberei aufbauen zu können. Außerdem, so hieß es, war die Gewinnung echten Purpurs und insbesondere die Färberei mit diesem Grundstoff als wahre Knochenarbeit verschrien, nichts also für seinen Neffen.
    Und wie ging Marino damit um? Er betrog erneut! Er ließ mindere Tuche mit billigem Krapp oder Kermes umfärben und versah sie mit einem blendenden Zertifikat als mit » echtem Purpur« gefärbte Ware. Das einzig Echte daran war der Preis, den er für diesen Plunder forderte. Noch war man ihm nicht überall auf die Schliche gekommen, aber die Proteste häuften sich, und lange konnte es nicht mehr gut gehen.
    Was ihn als gerecht empfindenden Menschen aber am meisten an dem Neffen störte, war dessen Anspruchsdenken. Der Junge tat doch wahrhaftig, als habe er ein natürliches Recht auf die Schätze des Lebens. Schönheit und Gesundheit waren ihm von Gott gegeben, Reichtum und die Privilegien eines Edelmannes aber forderte er wie selbstverständlich ein, als schulde ihm das Schicksal dieses Glück.
    Andrea Capellos jahrelange Bemühungen hatten nichts gefruchtet. Mehrmals hatte er versucht, Marino seinem Schicksal zu überlassen, bisher jedoch immer ohne Erfolg. Jetzt allerdings war dieser Zeitpunkt gekommen, das spürte er. Seine Geduld war am Ende.
    » Deine Bilanz sieht verheerend aus«, sagte er. » Gestatte, dass ich dein Gedächtnis auffrische: Zu deinem verschwenderischen Treiben, den betrügerischen Holzverkäufen, dem unehrenhaften Abschied aus der Marine und dem billigen Tand, den du neuerdings als echten Purpur verhökerst, kommt nun eine Untersuchung wegen widernatürlicher Unzucht hinzu. Noch ist alles in der Schwebe, doch an deiner Stelle würde ich mit dem Schlimmsten rechnen.« Der Ratsherr leerte sein Glas.
    » Es gibt bisher keinen offiziellen Beschluss, mit der Untersuchung zu beginnen, und die nächste Ratssitzung findet erst in zehn Tagen statt«, beendete Andrea Capello schließlich seine Überlegungen. » Etwas Zeit bleibt dir also. Du bist ein tüchtiger Seemann und guter Kapitän. Mancher wüsste, was zu tun wäre, wenn er zwischen Folter und Genua wählen könnte.«
    » Das kann nicht dein Ernst sein! Du empfiehlst mir die Flucht? Du? Wegen eines unbewiesenen Verdachtes, nicht einmal gegen mich, sondern gegen Loredan?«
    Andrea Capello entfernte einen winzigen Fussel von seinem Samtrock. Dann hob er den Kopf und sah seinem Neffen offen ins Gesicht. » Das Leben, mein Junge, ich empfehle

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